Kälberdurchfall, auch neonatale Diarrhoe (ND) genannt, tritt vor allem in den ersten drei Lebenswochen von Kälbern auf. Der Kälberdurchfall ist die häufigste und verlustreichste Erkrankung bei den Jungtieren.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 4/2022 der Milchpraxis.

Kälberdurchfälle werden auch durch falsches Management mitverursacht
Obwohl bei der Mehrzahl der Erkrankungen Infektionserreger im Kot nachweisbar sind (E.coli-Bakterien, Rota- und Coronaviren, Kryptosporidien), entstehen Erkrankungen meist erst durch das Zusammenwirken infektiöser und nicht-infektiöser Ursachen. So können Fütterungsfehler wie z. B. eine mangelhafte Kolostrumversorgung oder auch Haltungsfehler (mangelnde Hygiene bei Stall- und/ oder Tränkeeimern, zu wenig Einstreu, etc.) dazu führen, dass das Immunsystem des Kalbes geschwächt ist und die überall vorkommenden Durchfallerreger die Oberhand gewinnen.
Rasche, häufige und liebevolle Tränke kann lebenrettend sein
Die dadurch entstandene Durchfallerkrankung kann das neugeborene Kalb insbesondere durch den Flüssigkeitsverlust schnell schwächen. Aus diesem Grund ist sofortiges Handeln gefordert, wenn die ersten Anzeichen von Durchfall sichtbar sind. Die ersten Symptome sind Kotveränderungen (flüssig, evtl. stinkend, farblich verändert), mangelnde Trinklust und häufiges Liegen. Zu diesem Zeitpunkt sollten Sie eingreifen, das kleine Zeitfenster nutzen, in dem das Kalb noch selbstständig trinkt und ihm umgehend zusätzlich zu den Milchmahlzeiten Diättränken anbieten, die den Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt der geschwächten Tiere wieder in Balance bringen. Verpassen Sie dieses kleine Zeitfenster, ist das Kalb auch durch eine Übersäuerung des Blutes sowie durch die mangelnde Flüssigkeit mit jeder weiteren Stunde mehr geschwächt und wesentlich aufwendigere Maßnahmen durch den Tierarzt werden notwendig. Zudem sinken die Chancen auf eine Heilung rapide. Eine mit Diättränken gemanagte Durchfallepisode kann durchaus zwei Tage andauern bis Kotveränderungen sichtbar werden. Wichtig ist, dass die Kälber weiterhin saugfreudig sind und lebensfroh. Sind am dritten Tag noch keine Veränderungen der Kotkonsistenz sichtbar, sollten Sie trotz Saugfreude den Hoftierarzt hinzuziehen.
Die Pflege macht‘s
Treten in einem Bestand, in einer Saison vermehrt Kälberdurchfälle auf (mehr als 10 % des Kälberbestandes), ist es ratsam, sich das gesamte Management rund um die Kalbung und die Aufzucht mit externer Hilfe anzuschauen und Schwachstellen zu analysieren sowie Gegenmaßnahmen einzuleiten. Auch wenn der Zeitdruck in der Tierhaltung mehr und mehr wächst und der ökonomische Output häufig nicht in Relation zum Aufwand steht, muss gerade bei der Kälberhaltung bedacht werden, dass es sich bei Kälbern um Neugeborene handelt, die ein großes Saugbedürfnis und Wärmebedürfnis haben (Stichwort: Tender love and care ♥).
Drei wichtige Sätze zum Thema Kälberdurchfall
- Nicht nur Krankheitserreger wie Bakterien und Viren verursachen Kälberdurchfall. Treten gehäuft Kälberdurchfälle in Ihrem Bestand auf, sollten Sie Ihr Kälbermanagement und die Haltung überprüfen. (Stichwort: Faktorenerkrankung).
- Kälberdurchfall ist ein akutes Geschehen. Sie müssen das erkrankte Kalb sofort versorgen. Am wichtigsten ist die Flüssigkeitszufuhr – kein Tränkestopp!
- Tender love and care ♥ – Kälber sind Neugeborene, die besondere Pflege und Aufmerksamkeit durch Sie und Ihre MitarbeiterInnen benötigen – besonders, wenn sie erkrankt sind.
Woran erkenne ich, dass ein Kalb Durchfall hat?
- Der Kot ist dünnflüssig, wässrig (eventuell ist auch Farbe und Geruch verändert, stinkend), Analregion, Hinterbeine, Stallumgebung sind verschmutzt.

2. Kalb trinkt weniger oder verweigert sogar die Tränke.

3. Das Kalb ist weniger aktiv, mehr Liegen, es wirkt matt und abgeschlagen, beim Stehen hat es den Bauch angezogen
(Bauchschmerzen).

4. Hohes Fieber (39,5 Grad Celsius und mehr) ist in den ersten 24 Stunden der Erkrankung möglich, im weiteren Krankheitsverlauf kann sogar Untertemperatur auftreten.

Wie bestimme ich den Schweregrad, das Stadium der Erkrankung?

Was mache ich, wenn ein Kalb Durchfall hat?
Wenn der Saugreflex vorhanden ist: Bieten Sie zu der normalen Milchtränke (mind. dreimal am Tag) zusätzlich dreimal täglich Diättränken an. Ziel ist, den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt des Tieres zu stabilisieren.
Faustregel: Ein an Durchfall erkranktes Kalb sollte mind. 8–12 l Flüssigkeit am Tag zu sich nehmen. Viele kleine Portionsangebote sind am besten.
Wenn der Saugreflex nicht mehr vorhanden ist: Sturz- oder Dauertropfinfusion und weitere Behandlungsmaßnahmen durch den Tierarzt.
Zusätzlich:
- Tender love and care = liebevolle Fürsorge und gute Pflege, z. B. mit großzügiger, häufiger wechselnder Einstreu (Nesting Score 3) und Geduld, insbesondere bei der Tränkedarreichung.
- Stabilisieren Sie den Wärmehaushalt durch Kälberdecken oder Wärmelampen.
- Separieren Sie die betroffenen Tiere, um weitere Infektionen zu vermeiden.
Handlungsprinzipien durchfallerkranktes Kalb
- Stabilisieren Sie den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt.
- Verringern Sie Entzündungserscheinungen und Schmerzen durch ein Arzneimittel (NSAID).
- Reduzieren Sie Krankheitserreger. indem Sie ein Antibiotikum verabreichen (hilft nicht bei Viren und Parasiten).
Gesamtkonzept zur Vermeidung von Kälberdurchfällen – Stichworte und Kennzahlen zur Orientierung
- Geburtsmanagement: Totgeburtenrate < 5 %, Geburtshilfemaßnahmen bei < 20 % der gebärenden Kühe
- Kolostrummanagement: 3 l Kolostrum (Qualität: > 24 % BRIX) in den ersten vier Lebensstunden, Überprüfung des Kolostrummanagements durch Serumproben mind. einmal jährlich (Ziel: mehr als 75 % der Kälber zwischen dem 1.–10. Lebenstag min. 55 g/l Gesamteiweiß)
- Spurenelementversorgung der Muttertiere (Selen und Kupfer) überprüfen sowie der Kälber (Selen/Eisen); Supplementierung mittels geeignetem Mineralfutter bei den Kühen, Kälber erhalten Kälber-Booster oder auch Zusatz von Eisen/Selen im Kolostrum
- Wärmehaushalt der Kälber unterstützen durch Trockenreiben der Neugeborenen, Kälberdecken, viel trockene Einstreu (Nesting-Score 3)
- Tränkemanagement: tägliche Zunahmen von 700-1.000 g/Tag durch ad-libitum-Tränke oder semi-ad-libitum-Tränke (z. B. 3 x 3 l täglich)
- Muttertierimpfungen, ein-/zweimal vor der Geburt je nach Impfstoff, bei nachgewiesenen Durchfallerregern – nur zielführend bei gutem Kolostrummanagement
- Hygiene: Reinigung und Desinfektion von Kälberhütten bei Neubelegung
sowie täglich von Tränkeeimern z. B. durch Eimerwaschanlagen