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Blauzungeninfektion beim Wiederkäuer

Culicoides.C.obsoletus.pulicarisErneut Blauzunge in Deutschland!

Seit Dezember 2018 hat Deutschland seinen Status als “Blauzungen-frei” verloren. Am 13.12.2018 wurde im Landkreis Rastatt eine BTV-8-Infektion amtlich festgestellt. Die aktuellen Restriktionszonen und Fallzahlen sind hier dargestellt. Die Blauzungenerkrankung ist eine anzeigepflichtige Virusinfektion, die durch Stechmücken, die so genannten Gnitzen, übertragen wird. Deshalb tritt die Erkrankung saisonal auf: Von Frühjahr bis Spätherbst, mit einem Schwerpunkt im Spätsommer und Herbst sind in Deutschland Gnitzen aktiv. Empfänglich für das Virus sind Wiederkäuer, besonders Schafe. Aber auch Rinder und Ziegen erkranken. Das Virus tritt in verschiedenen Untergruppen auf (derzeit sind 24 Serotypen bekannt). Die Krankheit verläuft beim Rind zumeist leicht, kann aber auch schwer verlaufen. Wirtschaftliche Schäden werden besonders durch die Handelseinschränkungen verursacht.

Symptome:
Woran erkenne ich die Blauzungenerkrankung an meinem Rind, in meiner Herde?

Rinder erkranken in der Regel 4-10 Tagen nach der Infektion. Je nach Virustyp kann die Krankheit unterschiedlich schwer verlaufen, grundsätzlich verläuft sie nach folgendem Muster:

Entzündete Mundschleimhaut mit Blasenbildung © Dr. Marc Dünner, Prüm
Entzündete Mundschleimhaut mit Blasenbildung © Dr. Marc Dünner, Prüm

1) Als erstes haben die Tiere eine erhöhte Körpertemperatur. Dann treten Blasen an den Zitzen und am Kronsaum der Klauen sowie an den Schleimhäuten im Bereich der Augenlider, der Maulhöhle und den Genitalien auf.

Gerötete Bindehäute deuten auf ein Entzündungsgeschehen hin © Dr. Marc Dünner, Prüm
Gerötete Bindehäute deuten auf ein Entzündungsgeschehen hin © Dr. Marc Dünner, Prüm

2) In einem nächsten Stadium löst sich die Schleimhaut im Bereich der Zunge und des Mauls ab. Da dieser Krankheitsverlauf schmerzhaft für die Tiere ist, fressen sie weniger, zeigen sich abgeschlagen und es sind Leistungseinbußen zu verzeichnen. Zeitweise zeigen Rinder einen klammen Gang, speicheln mehr.[divider]Auf Herdenniveau werden mehr Aborte verzeichnet, Fruchtbarkeitsstörungen, fetale Missbildungen und eine erhöhte Kälbersterblichkeit.

Ähnliche Krankheitsbilder (Differentialdiagnosen):

Die Symptome ähneln der Maul- und Klauenseuche, der Bovinen Virusdiarrhöe sowie dem Bösartigen Katarrhalfieber.

Infektionsweg:
Wie wird das BT-Virus übertragen?

Das Blauzungenvirus wird durch Gnitzen übertragen. Gnitzen sind dämmerungsaktive Mücken, d. h. morgens und abends sind Wiederkäuer im Freien besonders gefährdet. Eine rein mechanische Übertragung ist möglich durch andere Stechmücken, kontaminierte Spritzen im Rahmen tierärztlicher Tätigkeiten oder auch durch Spermaübertragung infizierter Bullen. Bei ausreichend kalter Witterung sind keine Neuinfektionen mehr zu erwarten, da dann die Gnitzen nicht mehr aktiv sind bzw. die Virusvermehrung in der Mücke stagniert.

Krankheitserreger:

Der krankheitsauslösende Erreger ist das Blauzungenvirus (engl. Bluetongue Virus, kurz BTV). Dieses Virus hat bisher 24 bekannte Serotypen, die die Erkrankung in unterschiedlicher Schwere auslösen können. Der erste Blauzungenausbruch in Deutschland im Jahr 2006 wurde durch den Serotyp 8, kurz BTV-8, ausgelöst. Serotyp 8 und 4 grassiert derzeit in Frankreich (Stand Februar 2019) und seit Dezember 2018 treten auch erneut Fälle von BTV-8 in Deutschland auf. Es ist keine Kreuzimmunität bekannt, dass heißt, dass Rinder, die Antikörper gegen BTV-8 besitzen, mit diesen Antikörpern nicht eine BTV-4 Infektion bekämpfen können.

Diagnose:
Wie wird eine Blauzungeninfektion bzw. eine Erkrankung festgestellt?

Da das Krankheitsbild oft nicht eindeutig ist, kann der endgültige Nachweis erst durch einen Antikörper- bzw. Virusnachweis in einer Blutprobe erfolgen.

Bekämpfung:
Wie sehen die gesetzlichen Maßnahmen aus?

Die europäischen Regelungen zur Blauzungenbekämpfung finden sich in den nationalen Verordnungen. In den Verordnungen wird unterschieden zwischen dem Verdacht der Blauzungenerkrankung und bestätigter Blauzungenerkrankung.

Verdacht auf Blauzunge:

Der Betrieb steht unter behördlicher Beobachtung und muss Erkrankungen und Abgänge direkt dem zuständigen Veterinäramt melden. Ein Verbringen von empfänglichen Tieren (Wiederkäuer) ist untersagt. Es liegt im Ermessen des Veterinäramtes, ob es folgende Maßnahmen ergreift:

  • Behandlung der Rinder mit Insektiziden, die gegen die Vektoren wirksam sind.
  • Übergreifen dieser Maßnahmen auch auf Betriebe, die in unmittelbarer Nähe des verdächtigen Hofes liegen.

Amtliche Feststellung der Seuche:

Ist der Verdacht bestätigt, müssen die oben genannten Maßnahmen auf dem betroffenen Hof vom Veterinäramt angewandt werden. Dies gilt in der Regel für alle Betriebe, die in einem Radius von 20 km um den betroffen Betrieb liegen. Das Veterinäramt besitzt im bestätigten Fall der Blauzunge sogar die Befugnis, die Tötung der empfänglichen Tiere auf dem betroffenen Hof anzuordnen, wenn die Verbreitung der Seuche damit eingeschränkt werden kann.
Rund um den betroffenen Betrieb werden folgende Zonen eingerichtet:

  1. Sperrgebiet
    • in einem Radius von 100 km rund um den betroffenen Betrieb
  2. Beobachtungsgebiet
    • ein weiterer Radius um das Sperrgebiet von zusätzlich 50 km.

Diese Zonen werden auch über die Bundesgrenzen hinweg errichtet.

Sowohl das Sperrgebiet wie auch das Beobachtungsgebiet stehen unter besonderer Beobachtung der jeweils zuständigen Veterinärämter. Landwirte müssen die Standorte ihrer Wiederkäuer in diesen Zonen dem Veterinäramt unverzüglich melden. Innerhalb des Sperrgebietes gilt ein Verbringungsverbot.

Impfungen gegen die Blauzungenerkrankung sind erst nach amtlicher Feststellung eines Ausbruchs erlaubt. Es ist derzeit nicht möglich, seine Tiere prophylaktisch gegen Blauzunge zu impfen.

Therapie
Wie kann ich ein Tier heilen, dass an Blauzunge erkrankt ist?

Gegen die eigentliche Virusinfektion gibt es keine Therapie. Therapieren kann man die Begleiterscheinungen. So sollte man zum Beispiel ein entzündungs- und schmerzstillendes Mittel geben, wenn die Rinder hohes Fieber haben, starke Schmerzen zeigen und wenig fressen. Eventuell ist auch ein Antibiotikum notwendig, damit es nicht zu bakteriellen Sekundärinfektionen an den aufgebrochen Blasen kommt.

Prophylaxe
Welche vorbeugende Maßnahmen können Sie gegen eine Blauzungeninfektion ergreifen?

Vorbeugende Maßnahmen zielen darauf ab, das Auftreten des Überträger des Virus, der Gnitze, möglichst gering zu halten.

  • Insektizide: Wichtig ist, dass Sie die auf dem Hof lebenden Wiederkäuer (also auch Schafe und Ziegen) mit einem Insektizid behandeln, das gegen die Gnitzen wirksam ist. Das gilt für das Frühjahr, den Sommer und Herbst, wenn die Gnitzen aktiv sind. Gnitzen werden durch die Wirkstoffgruppe der Pyrethroide abgetötet. Es gibt unterschiedliche Applikationsmöglichkeiten, wie z. B. das Pour-On Verfahren oder auch Ohrclips. Nähere Informationen, die auch Ihrer betriebsspezifischen Situation angepasst sind, erfragen Sie bitte bei Ihrem Haustierarzt.
  • Begrenzung des Tiertransports, Zukaufs: Sobald der Betrieb sich in einer Sperrzone befindet, ist jeglicher Tiertransport verboten. Möglich sind Tiertransporte nur unter gewissen Bedingungen. Aber auch Betriebe, die sich in der Nähe einer Sperrzone befinden, sollten sich ihre Tierbewegungen gut überlegen, da sie immer ein Risiko darstellen, mit infizierten Mücken in Kontakt zu kommen.
  • Begrenzung des Weidegangs: Gnitzen sind dämmerungsaktive Insekten. Deshalb sollten Sie Ihre Rinder in den frühen Morgenstunden und den späten Abendstunden im Stall behalten. Ob Gnitzen tatsächlich auch im Stall aktiv sind, konnte noch nicht abschließend geklärt werden.
  • Trockenlegung von Feuchtbiotopen: Damit sich Gnitzen fortpflanzen können, benötigen sie Feuchtigkeit. Die Weibchen legen ihre Eier in nasse, mit organischen Stoffen angereicherte Böden. Dazu gehören feuchtes Laub, verrottendes Holz und Rinder- oder Pferdedung. Diese Stellen sollten auf dem Betrieb auf das Notwendige begrenzt sein, damit sich möglichst wenig Mücken entwickeln können, die Blauzunge übertragen können.
  • Impfungen: Die Impfung ist derzeit freiwillig mit einer Genehmigung des Amtsveterinärs möglich. Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin empfiehlt die Impfung gegen BTV-8 und BTV-4. 

Ein kurzer Rückblick:

Das Blauzungenvirus ist ursprünglich in Südafrika beheimatet gewesen, mittlerweile tritt die Erkrankung aber weltweit auf. In unseren Breitengraden ist die Krankheit 2006 erstmalig in den Niederlanden aufgetreten. Der Serotyp 8 breitete sich 2007 und 2008 relativ schnell in Deutschland aus. Mit einer flächendeckenden Impfaktion konnte das Virus zurückgedrängt werden, so dass im November 2009 die letzte Infektion mit Blauzunge in Deutschland auftrat und Deutschland im Februar 2012 Blauzungen-frei erklärt wurde. Diesen Status hat Deutschland durch das aktuelle Blauzungengeschehen mit Ausbrüchen in Baden-Württemberg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz seit Dezember 2018 verloren. Der weitere Verlauf des Seuchengeschehens bleibt abzuwarten.

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