
BVD-MD (Abkürzung für Bovine Virusdiarrhoe-Mucosal Disease) ist eine weltweit auftretende Viruserkrankung der Rinder. Eine Infektion äußert sich bei trächtigen Tieren in Aborten oder Missbildungen und kann zur Entstehung von Dauervirusausscheidern (sogenannten PI- Tieren) führen. Die Verluste, die durch die Infektion verursacht werden können, liegen pro Kuh einer Herde zwischen 25 und über 400 € [1]. BVD gehört in Deutschland zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen und wird seit 2011 bundesweit einheitlich bekämpft.
Fragen und Antworten
Symptome: Woran kann ich ein BVD-Geschehen in meiner Herde erkennen?
Hier muss zwischen BVD- Virus Typ 1 und Typ 2 unterschieden werden: Bis 2012 trat in Deutschland hauptsächlich Typ 1 auf , Typ 2 wurde selten festgestellt ( von 2008- 2013 lag der Anteil laut Nationalem Referenzlabor bei ca 5 %) seit November 2012 sind jedoch in NRW und Niedersachsen mehrere Ausbrüche durch den Virustyp 2c verursacht worden.
BVD Virus Typ 1 (schleichender Verlauf)

1. Tragende Kühe
Auswirkungen auf das ungeborene Kalb:
- abhängig vom Trächtigkeitsstadium, in dem Infektion der Mutter erfolgt
- in manchen Zeiträumen verschiedene Möglichkeiten
- frühe Trächtigkeit (bis ca. 40 Tage): Fruchttod- erneute Brunst
- ca. 40- 120 Tage: Entstehung von PI- Tieren (Persistent Infizierte Tiere, tragen das Virus lebenslang in sich, scheiden lebenslang große Virusmengen aus, bei der Geburt unauffällig, evtl. geringeres Geburtsgewicht)
- ca. 100- 150 Tage: Geburt von Kälbern mit Augen- und/oder Gehirnmissbildungen nach normaler Tragezeit
- Aborte bei Infektionen bis ca. 200 Tage immer möglich
- bei Infektion nach dem 120. Tag steigende Wahrscheinlichkeit, dass gesunde Kälber geboren werden
- Anteil an toten oder lebensschwach geborenen Kälbern auch bei Infektion in späten Trächtigkeitsstadien erhöht

2. weitere Entwicklung der PI- Tiere:
- entweder von Anfang an Kümmerer
- oder ganz normale Entwicklung
- bei erneuter Infektion mit BVD- Virus: Mucosal Disease: schwere, unheilbare Erkrankung mit Durchfall, Entzündungen oder Blutungen an den Schleimhäuten und Entzündungen im Zwischenklauenspalt, öfter auch Lungenentzündungen
3. übrige Tiere (auch die tragenden selbst):
- leichtes Fieber
- deutliche Schwächung des Immunsystems- erhöhte Anfälligkeit für Infektionen mit anderen Erregern, sogenannte Sekundärinfektionen (verstärktes Auftreten von heftigen Durchfallerkrankungen bei Jungtieren, Wegbereiter für Rindergrippeerreger)
- Milchrückgang
- wird bei erwachsenen Tieren meist nicht erkannt (unspezifische Symptome, Tiere erholen sich nach einigen Tagen von selbst)
BVD Virustyp 2: akuter schwerer Verlauf mit vielen Todesfällen
1. Infektion tragender Tiere
- Erscheinungen wie bei Typ 1
- noch unklar ob auch PI- Tiere entstehen können
2. übrige Tiere:
- hohes Fieber
Blutungen in der Lidbindehaut (BVD 2) - nicht behandelbare Lungenentzündungen
- blutiger Durchfall
- Schleimhautentzündungen und -blutungen
- Entzündungen im Zwischenklauenspalt, Blauverfärbung der Haut am Fuß
- massive Hautblutungen aus Injektionsstellen, Insektenstichen, später auch spontan
- im weiteren Verlauf: Folgeerkrankungen aufgrund massiver Schwächung des Immunsystems
- hohe Tierverluste bis zu ca. 60% [2]
- Jungtiere nach überstandener Erkrankung: Kümmerer
Verbreitung: Wie wird das BVD- Virus übertragen?

Auch die Hauptinfektionswege der beiden Virustypen sind unterschiedlich.
Virustyp 1:
- Verbreitung hauptsächlich durch PI- Tiere
- Verbreitung durch akut erkrankte Nicht-PI- Tiere von untergeordneter Bedeutung ( Virusausscheidung nur über einen kurzen Zeitraum, keine großen Mengen)
- Einschleppung über Personen und Maschinen/ Geräte möglich, aber untergeordnete Bedeutung
Virustyp 2:
Verbreitung über akut erkrankte Tiere (Ausscheidung massiver Virusmengen in allen Körperflüssigkeiten über mehrere Wochen, genauer Zeitraum noch unklar), hier können Tiertransporte zu einer erheblichen Erregerverbreitung führen

- Milch erkrankter Tiere ist stark erregerhaltig: Ansteckung von Kälbern durch die Tränke
- Erregerverschleppung durch Personen
- Erregerverschleppung zwischen Betrieben durch Nutzung gemeinsamer Maschinen und Geräte (z.B. Güllefässer, Viehanhänger, Treibewagen)
Diagnose: Wie wird eine BVD—Infektion festgestellt?
Grundsätzlich gibt es zwei Nachweismöglichkeiten für eine stattgefundene BVD- Infektion:

- direkter Nachweis von Virus oder seinen Anteilen (Antigen):
- Erreger befinden sich noch im Tier- Ansteckungsgefahr für andere Tiere
- BVD Typ 1: bei akut (vorübergehend) infizierten Tieren Erreger 10- 14 Tage nachweisbar
- BVD Typ 1: Unterscheidung von akut infizierten Tieren und PI- Tieren: Nachuntersuchung nach drei Wochen (nur bei PI- Tieren ist dann noch Virus nachweisbar)
- BVD Typ 2 : Erreger bleiben wesentlich länger im Tier, Virusausscheidung u.U. über Monate
- indirekter Nachweis der vom Tier gebildeten Antikörper gegen das Virus:
- Tier hat BVD- Infektion durchgemacht und sein Immunsystem hat darauf reagiert, keine Aussage ob noch Virusausscheidung
- Antikörper sind im Blut gelegentlich noch mehrere Jahre nachweisbar
- PI- Tiere bilden niemals Antikörper: Infektionszeitpunkt vor Ausbildung des Immunsystems, BVD- Virus von der Körperabwehr als „zum Tier gehörend“ angesehen, daher keine Bekämpfung, also auch keine Antikörperbildung gegen den Erreger
- Nachweis von Antikörpern im Blut von PI- Tieren dennoch möglich: Aufnahme von Antikörpern des Muttertieres mit der Biestmilch, verhindern u.U. sogar das Auffinden vorhandener Viren im Blut
Untersuchungsmaterial:
-
Blutproben:
Ohrstanze - Antigen und Antikörper
- Nachteil:
verfälschte Ergebnisse bei PI- Tieren durch Aufnahme von Antikörpern mit der Biestmilch in den ersten drei Lebensmonaten möglich
-
Milchproben:
- – Antigen und Antikörper
- – Tankmilchproben von bis zu 50 Tieren sind möglich, Verfahren wird aber noch nicht routinemäßig eingesetzt
-
Hautstanze:
- – nur Antigen
- – Vorteil: keine Verfälschung der Ergebnisse durch mütterliche Antikörper möglich
Bekämpfung: Wie sehen die gesetzlichen Maßnahmen zur BVD- Bekämpfung aus?
Die gesetzlichen Maßnahmen sind in der „Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe- Virus“ (kurz BVDV- Verordnung festgelegt), zusätzlich gibt es noch spezielle Regelungen in den einzelnen Bundesländern.
BVDV- VO wichtigste Inhalte :
Vorgeschriebene Untersuchungen zu Auffinden von PI- Tieren:
- seit dem 01.01.2011 Untersuchung aller im Bestand geborenen Rinder bis zum vollendeten 6. Lebensmonat (praktische Umsetzung. Ohrstanzen beim Einziehen der Ohrmarken)
- Nachuntersuchung innerhalb von 60 Tagen, falls bei Erstuntersuchung BVD- Infektion festgestellt wurde (alternativ sofortige Tötung)
- Feststellung eines PI- Tieres (beide Untersuchungsergebnisse positiv): sofortige Tötung
Festlegung des Status „BVD -unverdächtig“:
- einmalig mit negativem Ergebnis untersuchte Tiere oder deren Mütter
- Bestände:
- alle Tiere bzw. deren Nachkommen mit negativem Ergebnis auf BVD- Virus untersucht und Ergebnisse Neugeborener weiterhin negativ
- nur Einstallung BVD- unverdächtiger Tiere
- kein Kontakt zu Tieren ohne unverdächtigen Status
Wieso hört man gelegentlich, dass die zur Zeit durchgeführte BVD- Sanierung für die Betriebe auch Risiken birgt?
Natürlich senkt die Entfernung von PI-Tieren aus den Beständen zunächst einmal die Gefahr einer schleichenden Verbreitung von BVD1, andererseits gibt es so auch immer weniger Tiere, die durch den Kontakt mit dem Virus Antikörper bilden:
- immer mehr Bestände ohne Abwehr gegen BVD
- bei Viruskontakt hohe Asteckungs- und Erkrankungsraten (BVD 1 massenhaft Aborte, BVD 2: viele schwere Erkrankungen, viele Todesfälle)
- vorbeugende Impfungen werden unso wichtiger
Therapie: Wie kann eine BVD- Infektion behandelt werden?
Da es sich um eine Viruserkrankung handelt gibt es keine spezifischen Behandlungsmöglichkeiten.
Akut erkrankte Tiere:
- symptomatische Behandlung (Infusionen, Fiebersenkung, Schmerzmittel)
- Bekämpfung von Sekundärinfektionen
PI- Tiere:
- müssen generell eingeschläfert werden.
Akute Ausbrüche mit BVD 2: Notimpfung mit Impfstoff gegen BVD 1
- bereits BVD 2- Erkrankungen im Betrieb: Notimpfung aller noch gesund erscheinenden Tiere mit einem BVD 1 Lebendimpfstoff (s.u.), (hierdurch nur Erkrankung einer geringeren Zahl von Tieren als ohne Impfung, keine vollständige Verhinderung weitererKrankheitsfälle)
- Risiko: heftige Erkrankung bereits unerkannt infizierter Tiere, aber einzige Möglichkeit die Ausbreitung einzudämmen
- ansteckungsgefährdete Betriebe: zweistufiges Impfverfahren (erst tot, dann lebend)
Prophylaxe: Was kann ich tun, um meinen Bestand vor einem BVD- Einbruch zu schützen?
Die wichtigsten Maßnahmen zur Verhinderung einer BVD- Infektion liegen für den landwirtschaftlichen Betrieb im Bereich der Impfung und der Hygiene.

Hygiene:
- Reinigung und Desinfektion von Stallabteilen, in denen PI- Tiere aufgestallt waren (DVG- gelistete Desinfektionsmittel „viruzid“ und „begrenzt viruzid“ unter http://www.dvg.net Stichwort Desinfektion)
- Hygieneschleusen: betriebseigene Kleidung und Stiefel für sämtliche betriebsfremden Personen
- gemeinsame Nutzung von Maschinen und Geräten nur mit unverdächtigen Betrieben
Impfmaßnahmen:

- Absprache mit dem zuständigen Amtstierarzt: bei akutem Ausbruch in jedem Fall
- wichtigstes Ziel bezüglich BVD 1: Schutz ungeborener Kälber (Entstehung von Dauerausscheidern verhindern)
- wichtigstes Ziel bezüglich BVD 2: Verhinderung akuter Erkrankung
- nur Impfstoff gegen BVD 1, Wirksamkeit gegen BVD2 besteht zwar , von einem spezifischen BVD2- Impfstoff wäre jedoch eine bessere Wirkung zu erwarten
- Impfschutzdauer gegen BVD 1 bei allen Impfstoffen bekannt, Länge des Schutzes gegen BVD 2 unbekannt
- Impfstoff: 2 Sorten (Tot- oder Lebendimpfstoff)
- Lebendimpfstoff: Ablauf wie Infektion, schneller + langandauernder Schutz, Virusausscheidung, Infektion ungeborener Kälber möglich, keine Zulassung für tragende Tiere
- Totimpfstoff: Schutz baut sich langsamer auf u. hält weniger lang, keine Virusausscheidung, keine Infektion ungeborener Kälber, Schutz ungeborener Kälber abhängig vom Impfstoff
- verschiedene Impfschemata, Auswahl abhängig von der Bestandssituation
Einzelheiten bezüglich Impfung und Therapie besprechen Sie bitte mit Ihrem Hoftierarzt!
Literatur:
[1] Carmann et al., Journal of Veterinary Diagnostic Investigation 1998; Houe, Biologicals 2003
[2] T. Homeier, Vortrag DVG Vet- Kongress 2013