Die regelmäßige Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen ist ein wertvolles Controllinginstrument, deren Bedeutung die meisten Landwirte zwar kennen, welches jedoch in der Praxis nur in ganz wenigen Betrieben auch tatsächlich systematisch zum Einsatz kommt. Dabei ist die Körperkonditionsbeurteilung einfach erlernbar, kostengünstig, schnell durchzuführen und liefert bereits nach wenigen Übungen reproduzierbare Ergebnisse.
Beurteilung
Die Einschätzung und Steuerung der Körperfettmenge im Laktationsverlauf ist Grundlage der Körperkonditionsbeurteilung. Am äußeren Erscheinungsbild kann der Umfang der körpereigenen Energiereserven abgelesen werden. Die Entwicklung der Körperkondition folgt dabei einer Optimalfunktion: es sind weder zu wenig noch zu viel Fettdepots erwünscht. Sind zahlreiche Kühe z. B. nach der Hochlaktationsphase besonders stark abgemagert oder viele zum Trockenstellen ggf. zu fett, sind i. d. R. Fütterungs- und/oder Haltungsfehler ursächlich daran beteiligt. Bei der Beurteilung steht die Abdeckung der Knochenvorsprünge mit Fettund Muskelgewebe im Vordergrund. Auch wenn international verschiedene Beurteilungsschlüssel erarbeitet wurden, wird in den meisten Milchproduktionsländern das von Edmonson et al. (1989) auf einer Skala von 1 (äußerst unterkonditioniert) bis 5 (äußerst überkonditioniert) basierende Body Condition Scoring (BCS) angewandt. Es stützt sich auf eine Abschätzung der subkutanen Fettauflage der Tiere.
Diese Beurteilung erfolgt durch Betrachten und Betasten bestimmter Regionen des Körpers:
- Dornfortsätze der Lendenwirbel
- Verbindungslinie zwischen Dorn- und Querfortsätzen der Lendenwirbel
- Enden der Querfortsätze („kurze Rippen“)
- Übergang von den Querfortsätzen zur Hungergrube auf der rechten Seite
- Hüfthöcker und Sitzbeinhöcker
- Bereich zwischen Hüfthöcker und Sitzbeinhöcker
- Bereich zwischen den beiden Hüfthöckern
- Beckenausgangsgrube

2,75.

abzurunden. Daher erhält diese Kuh eine
BCS-Note von 3,0.

überkonditioniert.
Vorgehensweise bei der Durchführung
Die Durchführung der Beurteilung der Körperkondition erfolgt stets an ebenerdig stehenden Kühen, am besten von hinten rechts, da auf der linken Seite ein unterschiedlich gefüllter Pansen das Ergebnis ggf. verfälschen könnte. Dass hierbei ausreichende Lichtverhältnisse notwendig sind, ist selbsterklärend.
Den aufgezeigten Körperstellen werden einzelne Noten vergeben, die dann zu einer Gesamtnote zusammengefasst werden. Für eine sichere Beurteilung ist neben der visuellen Bewertung auch ein Ertasten (möglichst mit gleicher Hand) der einzelnen Körperstellen ratsam. Das kann besonders im Winter bedeutungsvoll sein, wenn die Tiere z. B. über ein längeres Haarkleid verfügen. Gleiches gilt auch für junge Färsen, die häufig noch ein etwas weicheres Fell besitzen.
Rahmengröße, Laktationsstadium, Gesundheit und Milchleistung des Tieres dürfen bei der Notenvergabe nicht berücksichtigt werden. Diese Informationen dienen dann erst später der Ergebnisinterpretation.
Häufigkeit der Beurteilung
- Optimal: im Rahmen des Rations- und Fütterungscontrollings monatliche BCS-Bewertung der ganzen Herde
- sofortiger Abgleich mit MLP-Daten möglich
- Abweichungen vom Optimum und Verläufe gut nachvollziehbar
- Minimum: alle zum Trockenstellen und zur Besamung anstehenden Tiere beurteilen
- praktischer Kompromiss: alle zwei bis drei Monate
- alle Kühe in der Frühlaktation, Laktationsmitte, Spätlaktation, zum Trockenstellen, zur Kalbung
- Jungrinder siebter/ achter Lebensmonat
- hochtragende Färsen
Umsetzung der Ergebnisse aus der Bewertung in das Management
Die Körperkonditionsbewertung dient keinem Selbstzweck, sondern ist bei regelmäßiger und gewissenhafter Anwendung nicht nur ein gutes Hilfsmittel im Fütterungs-, sondern im gesamten Herdenmanagement. Sie soll stets unabhängig, also unbeeinflusst vom Alter und Laktationsstadium, von der Milchleistung oder sonstigen Informationen über das Tier erfolgen. Hingegen ist eine anschließend richtige Interpretation der BCS-Noten nur in Kombination mit genau diesen Informationen möglich.
Die Auswertung der ermittelten Körperkonditionsnoten erfolgt zweckmäßig zum einen für das Einzeltier und zum anderen für die verschiedenen Fütterungs- und/ oder Haltungsgruppen des jeweiligen Betriebes, um ggf. systematische gruppenspezifische Fehler aufdecken zu können. Ansonsten bietet sich eine Auswertung für Tiere mit ähnlichem Laktationsstadium an, z. B. Frühlaktation, Laktationsmitte, Spätlaktation, Trockensteher (bei zweiphasiger Trockensteherfütterung sinnvollerweise getrennt nach Phase I und II).
Insbesondere interessiert, wie sehr die Kühe in den ersten Laktationswochen Körperfettreserven mobilisieren, ob z. B. ein vermehrtes stärkeres Abmagern besonders auf Fehler bei der Haltung bzw. Fütterung der Trockensteher, während der Kalbephase und/ oder in der Frühlaktation zurückzuführen sind. Auch Stoffwechselstörungen, wie z. B. Ketosen, die zumeist subklinisch auftreten, können schneller entdeckt werden. Darüber hinaus nimmt das Ausmaß des Körperfettabbaus in den ersten Laktationswochen Einfluss auf die Fruchtbarkeitslage und damit auf den zukünftigen Besamungserfolg.
Wenn sich der Besamungszeitpunkt nähert, kann die Information, ob die Kuh z. B. während des letzten Monats vor der Besamung noch an Kondition verloren hat, bedeutsam für die Einschätzung des Besamungserfolgs sein. Die Chance, dass eine Kuh tragend wird, ist i. d. R. bedeutend größer, wenn sie zum Besamungszeitpunkt bereits wieder aufgefleischt hat. Dieses wäre ein Zeichen dafür, dass ihre Energiebilanz nicht mehr negativ ist. Hingegen ist bei einem anhaltenden Körperfettabbau der Erfolg einer Besamung deutlich herabgesetzt, da die Kühe in der Zeit der negativen Energiebilanz vordergründig die Milchproduktion bedienen. Die Reproduktion ist in dieser Phase ein für die Kuh entbehrliches Geschehen.
In der Spätlaktation steht die Aufgabe im Vordergrund, die Kühe in eine möglichst optimale Körperkondition – nicht zu fett, nicht zu mager – zum Trockenstellen zu bringen. In dieser Zeit ist die Körperkondition der Tiere ganz gezielt besonders über die Fütterung zu beeinflussen. Hingegen gilt der Grundsatz, dass während der gesamten Trockenstehzeit die Körperkondition grundsätzlich nicht mehr zu verändern ist. Ein geringfügiges Auffleischen (um max. 0,2 Noten) von unterkonditionierten Kühen ist möglich. Hingegen darf keine Körperkonditionsabnahme erfolgen.
Über- und Unterkonditionierung
Sollte sich die BCS-Note im Herden- bzw. Gruppenmittel am unteren Rand oder sogar unterhalb des Toleranzbereichs befinden, ist oftmals als erstes die Höhe der Futteraufnahme (v. a. Platzverhältnisse, Futtervorlage, Futterqualität, Futter- und Fütterungshygiene, Wasseraufnahme) zu überprüfen, gleichermaßen die Rationsgestaltung (Grobfutterqualität, Rationseckparameter, v. a. NEL, XP, nXP, XF).
Sind eher Einzeltiere als zu mager beurteilt, handelt es sich hierbei i. d. R. um Problemtiere mit gesundheitlichen Störungen (v. a. Klauenprobleme, Stoffwechselstörungen).
Überkonditionierungen sind weder ökonomisch noch tiergesundheitlich sinnvoll (Gefahr von Kalbeproblemen, geringere Futteraufnahme, daher verstärkte negative Energiebilanz, größere Ketose- und Fettlebergefahr, mehr Fruchtbarkeitsprobleme) und daher gezielt über die Fütterung zu vermeiden.
Die Einstellung der optimalen Körperkondition heißt: die Fütterung an den Bedarf der Tiere anzupassen. Bei Gruppenfütterung bedeutet es, wenn Einzeltiere vom angestrebten Verlauf der Körperkondition abweichen, dieses gezielt bei den Umstellungen zu berücksichtigen. In Betrieben mit tierindividueller Kraftfutterzuteilung kann mittels Zu- bzw. Abschlägen am Automaten (+/- 1,5 bis 1,7 kg Kraftfutter ober- bzw. unterhalb des Leistungsbedarfs) die Körperkondition der Kühe angepasst werden. Dieses sollte spätestens ab Beginn des dritten Laktationsdrittels erfolgen.
Fazit
Die Entwicklung der Körperkondition, also die Geschwindigkeit und der Umfang der Körperfettmobilisation, und damit die Veränderung des Ernährungszustandes von Milchkühen kann durch die Beurteilung der subkutanen Fettauflage an wichtigen Knochenpunkten im Lenden-und Beckenbereich gut beschrieben werden. Letztlich spiegelt die Körperkondition der Tiere deren Reaktion auf das gesamte Haltungs-, Fütterungs- und Gesundheitsmanagement.
Dieses einfache und kostengünstige Controllinginstrument verdient es daher, in jeder Milchkuhherde zur Anwendung zu kommen, denn: was wir nicht messen und dokumentieren, können wir nicht richtig steuern.