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Eutergesundheitszahlen richtig interpretieren

Handwerkzeug für eine gute Eutergesundheit!

euter

Erhalten Sie einen Überblick, wo Ihre Schwächen liegen könnten und was Experten dazu sagen.

1. Kennzahl: Anteil eutergesunder Tiere im Betrieb

kuhherde-stallKuheuter mit einem Zellgehalt von < 100.000 Zellen/ml im Gesamtgemelk gelten als gesund. Höhere Zellgehalte gehen mit deutlichen Leistungseinbußen einher. Liegt der Anteil eutergesunder Tiere unter 50% Ihrer Herde oder gibt es eine sinkende Tendenz, sollten Sie sich Gedanken machen. Sie müssen Maßnahmen treffen, die die Neuinfektionsrate stoppen (siehe dazu auch Kennzahl Neuinfektionsrate). Außerdem müssen Sie die Kennzahl der chronisch euterkranken Tiere überprüfen. Denn chronisch euterkranke Tiere stellen immer einen Infektionsherd dar. Überprüfen Sie die Arbeitsbereiche Tierhaltung, Fütterung und Melken, falls Sie Probleme mit dieser Kennzahl haben.

Dr. Joachim Kleen, Fachtierarzt für Rinder und Berater bei Cow Consult bewertet diese Kennzahl folgendermaßen: „Dieser Wert stellt am besten dar, worum es bei allen Maßnahmen zur Eutergesundheit geht. Er erlaubt eine nüchterne Betrachtung des Ist-Zustandes. Ist der Anteil gesunder Tiere im Zielbereich, dann ist grundsätzlich alles in Ordnung, sinkt er aber, muss gehandelt werden.“

2. Kennzahl: Neuinfektionsrate in der Laktation

melkkarussellDie Neuinfektionsrate beschreibt den Anteil der Kühe, deren Zellgehalt sich von der vorangegangenen zur aktuellen Milchleistungsprüfung verschlechtert hat. Damit ist diese Kennzahl ein wichtiges Instrument, um die Infektionsdynamik innerhalb einer Herde im Blick zu haben. Die Neuinfektionsrate wird sowohl monatlich als auch nach Laktationstagen berechnet. Damit können Sie zum Beispiel feststellen, ob es sich um eine aktuelle Veränderung handelt, die die ganze Herde betrifft, wie zum Beispiel Hitzestress oder der Melkprozess, oder ob es sich um ein Problem in einer bestimmten Gruppe handelt, wie zum Beispiel bei den Frischlaktierenden.

3. Kennzahl: Neuinfektionsrate in der Trockenperiode

Diese Kennzahl ist ein deutliches Indiz dafür, wie gut oder schlecht Ihr  Trockenstehermanagement ist. Die Trockenperiode ist einerseits als Erholungsphase fürs Eutergewebe gedacht, birgt aber auch viele Risiken in sich. Sowohl am Beginn wie auch Ende der Trockenstehzeit treten gehäuft Infektionen des Euters auf, die meist zu spät erkannt werden. Risikofaktoren in der Trockenperiode sind mangelnde Stallhygiene, zu viele chronisch euterkranke Tiere im Bestand, Überbelegung, mangelhaftes Abkalbemanagement, Auftreten von Stoffwechselerkrankungen rund um die Geburt und zu hohe Milchleistungen (über 15 kg Milch pro Tag) zum Zeitpunkt des Trockenstellen. Überprüfen Sie das Fliegenmanagement im Stall, denn gerade der Mastitiskeim Staph. aureus wird häufig durch Fliegen von Tier zu Tier übertragen. Außerdem sollten Sie den korrekten Einsatz der antibiotischen Trockensteller überprüfen und über Zitzenversiegler nachdenken, falls die Neuinfektionsrate zu hoch ist.

4. Kennzahl: Heilungsrate in der Trockenperiode

Der Neuinfektionsrate in der Trockenperiode können Sie die Heilungsrate in der Trockenperiode gegenüberstellen. Denn die Trockenperiode bietet auch die Chance, Euterinfektionen auszuheilen, die während der Laktation aufgetreten sind. Die Heilungsrate erfasst die Tiere, die ihren Zeltgehalt während der Trockenperiode von über 100.000 Zellen/ml auf unter 100.000 Zellen/ml verbessert haben. Ist die Heilungsrate in der Trockenperiode zu gering (unter 56%), dann sollten Sie folgendes überprüfen:
Setze ich zum Erregerspektrum passende antibiotische Trockensteller ein? Wie gut ist mein Trockenstellermanagement? Ist die Anzahl der chronisch euterkranken Tiere zu hoch und treffe ich unter diesen auch die richtige Merzungsentscheidung?
Dr. Friederike Reineke, Eutergesundheitsexpertin beim Regierungspräsidium Gießen, beurteilt diese Kennzahl folgendermaßen: „Die Selbstheilungsrate von Infektionen während der Trockensteherzeit liegt zwischen 20-50%. Ob es gelingt, diesen Wert auf Betriebsebene durch ein angepasstes Trockenstehermanagement zu optimieren, lässt sich durch die Kennzahl der Heilungsrate ermitteln.“

5. Kennzahl: Erstlaktierendenmastitisrate

Färsen sind die Zukunft der Herde und in ihre Aufzucht wurde (hoffentlich) gezielt investiert. Tritt bei einer Färse eine Mastitis auf, dann wird durch die langfristige Verschlechterung der Leistungsfähigkeit die Mastitis besonders teuer – bis hin zum Totalverlust, wenn sie zur Merzung des Tieres in der ersten Laktation führen. Eine gesunde Färse sollte einen Zeltgehalt von 20.000 bis 50.000 Zellen/ml im Einzelgemelk aufweisen. Eine Zellzahl über 100.000 Zellen/ml weist darauf hin, dass die Eutergesundheit gestört ist. Dabei müssen klinische Anzeichen nicht immer auftreten, weshalb die Färsenmastitis besonders schwierig zu erkennen ist. Treten zu viele Färsenmastitiden bei Ihnen im Bestand auf, dann müssen Sie folgende Problemkreise in Angriff nehmen.

  1. Stallhygiene (besonders Nachstreuintervalle und Fliegenbekämpfung sind zu überprüfen)
  2. Herdenmanagement (trennen Sie unbedingt die trächtigen Färsen von den übrigen Trockenstehern)
  3. „Ansaugende“ Tiere müssen unverzüglich aus der Gruppe entfernt werden. Sie richten in aller Regel einen großen Schaden an.
  4. Verliert die Färse schon vor der Geburt Milch, dann ist das vorzeitige Anmelken notwendig.

Interessant ist auch der Aspekt, den Dr. Ute Philipp, Leiterin Gesundheits- und Qualitätsmanagement beim Thüringer Verband für Leistungsprüfung in der Tierzucht, bei der Betrachtung dieser Kennzahl betont: „Das ist die Kennzahl mit dem weitesten Rückblick. Wir erhalten den ersten Hinweis, bei Bedarf zwei Jahre zurück schauen zu müssen. Die „Black Box“ der Kälberaufzucht wird transparenter. Die Eutergesundheit zeigt sich in der ersten MLP, wird aber schon als Milchkalb geprägt.“

6. Kennzahl: Anteil chronisch euterkranker Tiere mit schlechten Heilungsaussichten

In dieser Gruppe befinden sich die sogenannten „Zellmillionärinnen“. Tiere, die bei drei aufeinanderfolgenen MLPs eine Gesamtzellzahl von über 700.000 Zellen pro ml aufweisen. Sie stellen ein großes Infektionsrisiko für die gesamte Herde dar, da sie dauernd oder in wiederkehrenden Zyklen Erreger ausscheiden. Diese Zellmillionärinnen sind in aller Regel nicht mehr behandelbar bzw. behandlungswürdig, da sie sehr schlechte Heilungschancen haben. Diese Tiere sollten gezielt aus dem Bestand entfernt werden. Dennoch warnt auch hier Dr. Eva Zeiler: „Solche Millionärinnen gilt es differenziert zu betrachten. Wie oft wurde das Tier schon behandelt? Welche anderen Krankheiten stehen im Hintergrund? Ist das Tier trächtig oder nicht? Wie wurde bisher trockengestellt? All diese Fragen gilt es zu berücksichtigen, bevor man die „Keule“ schwingt.“

Über 3,6 Millionen Tiere werden monatlich der Milchleistungsprüfung unterzogen. Damit ist die deutsche Milchleistungsprüfung das weltweite zweitgrößte Überwachungssystem für Milchproduktion und Eutergesundheit. Die Interpretation der Daten und das Umsetzen der Erkenntnisse in der Praxis sind wichtige Hilfsmittel, um die Eutergesundheit seiner Herde zu verbessern.

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