Der große Lungenwurm (Dictyocaulus viviparus) ist ein Weideparasit, der bei Rindern aller Altersklassen erhebliche Gesundheitsschäden verursacht, welche hohe wirtschaftliche Einbußen nach sich ziehen. Eine aktuelle niederländische Studie zeigt, dass infizierte Milchkühe bis zu 20% Milcheinbußen haben. Seit den 90er Jahre haben wir einen enormen Anstieg von Lungenwurmerkrankungen bei den Milchkühen zu verzeichnen. Hintergrund ist, dass erstsömmrige Tiere nur noch eine unzureichende Immunitätsausbildung haben infolge des flächendeckenden Einsatzes von Antiparasitika. Warme, nasse Sommer begünstigen die Entwicklung des Lungenwurms – in diesen Sommern haben wir es vermehrt mit dem Krankheitsbild der parasitären Bronchitis zu tun.
Fragen und Antworten
Entwicklung: Wie entwickelt sich der große Lungenwurm?
Ein Überblick über den Entwicklungskreislauf des Lungenwurms hilft bei Diagnose und Bekämpfung.
- infektiöse Lungenwurmlarve (L3) wird auf der Weide durch das Rind beim Grasen aufgenommen – Wanderung der Larven aus dem Darm in die Lunge – dort Entwicklung zum erwachsenen Wurm (bis zu 10 cm lang!) und Eiablage
- hochgehustete Eier und Würmer werden wieder abgeschluckt – Eier entwickeln sich im Verdauungstrakt zu Larve 1, die mit dem Kot ausgeschieden wird
- Entwicklung von Larve 1 zu L3 innerhalb von 5-8 Tagen
- Ausbreitung der infektiösen L3 durch einen Pilz, der im Rinderdung vorkommt – innerhalb weniger Tage ist die Weide flächendeckend infiziert
- gesamter Zyklus dauert 3-4 Wochen -> durch kurzes Generationsintervall haben wir in einer Weideperiode 3-4 Lungenwurmgenerationen
- durch ständige Wiederansteckung verseuchen die Weiden zunehmend -> dadurch Larvendruck im Hochsommer am größten -> Hälfte der Erkrankungen im Juli und August
- Überwintern der Larve 3 im Wirtstier in einem Ruhestadium (Hypobiose), weniger auf der Weide -> Neuinfektion im Frühjahr hauptsächlich durch infizierte Tiere -> um Kreislauf zu unterbrechen ist die Aufstallungsbehandlung sehr wichtig
Symptome: Woran erkenne ich, dass meine Tiere an Lungenwürmern erkrankt sind?

einen schweren Befall mit Lungenwürmern hinweisen.
- Husten (insbesondere beim Auftreiben der Tiere)
- erhöhte Atemfrequenz (schwer erkrankte Kälber haben bis zu 100 Atemzüge pro Minute (normal: 30-40 Atemzüge pro Minute)
- schleimiger bis schaumiger Nasenausfluß
- Atemnot – Tiere stehen in sogenannter Sägebockstellung – Kopf nach unten, Maul weit geöffnet, ziehen durch das weit geöffnete Maul Luft ein
- evt. Fieber
- Tiere werden matt, appetitlos und verfallen schnell
Besonders gefährlich ist allerdings das Lungenwurm-Reinvasionssyndrom. Werden Kühe, die bereits eine gewisse Immunität gegen Lungenwürmer besitzen, plötzlich mit sehr vielen Lungenwürmern infiziert, kann es zu einem sehr schweren Krankheitsgeschehen kommen. Dieser hoher Infektionsdruck kann zum Beispiel dadurch entstehen, wenn Jungtiere mit Milchkühen zusammen weiden. Die Jungtiere scheiden bei ihrer ersten Infektion massiv Larven aus. Die älteren Tiere sind nun einem sehr hohen Infektionsdruck ausgesetzt, was in der Lunge zu einer überschießenden Immunreaktion führt. Diese Reaktion kann zu einem Lungenödem führen, was nicht selten tödlich endet.
Diagnose: Wie wird der Lungenwurm diagnostiziert?
- Kotprobe (nicht über 25 Grad Celsius lagern, aber auch nicht im Kühlschrank!),
Standard: Larvenauswanderungsverfahren nach Baermann-Wetzel

- Serologischer Nachweis über Blut und Tankmilch; Vorteil fast 100% Sensitivität und Spezifität; Nachteil: Antikörper zirkulieren noch bis 6 Monate nach Infektion im Blut
- Herdenscreening: durch Tankmilchproben; sehr verlässliche Ergebnisse, wenn mehr als 20% der Herde infiziert sind; Untersuchungszeitpunkt: August/September. Stille Träger (infiziert mit hypobiotischen Larven) werden erkannt durch Anstieg des Antikörpertiters in der Tankmilch von Januar bis April. Nach Kenntnisstand der Autorin bietet derzeit kein kommerzielles Labor diese Untersuchung an. Häufig wird diese Methode in wissenschaftlichen Untersuchungen angewandt.
Wirtschaftliche Folgen: Welchen wirtschaftlichen Schaden richtet der Lungenwurm an?
Krankheitsausbruch in einem Milchviehbetrieb verursacht wirtschaftlichen Ausfall von 160-300 Euro pro Tier durch Tierverluste, Tierarzt- und Behandlungskosten, Rückgang der Milchleistung, Verlängerung der Zwischenkalbezeit (1)
Metaphylaxe/Therapie: Welche Arzneimittel wirken gegen den Lungenwurm?
Gegen den Lungenwurm helfen alle Arzneimittel, die gegen Magen-Darm-Strongyliden eingesetzt werden.
Problematisch ist bei der Lungenwurmbekämpfung, dass die eingesetzten Antiparasitika so gut wirken, dass die Tiere, wenn überhaupt, erst im August/September mit Lungenwurmlarven in Kontakt kommen. Dann kann aber in hochinfektiösen Sommern der Parasitendruck so groß sein, dass die Tiere schwer erkranken. Es ist deshalb empfehlenswert, die Tiere im Spätsommer intensiv auf Symptome der parasitären Bronchitis hin zu beobachten und auf jeden Fall eine Aufstallungsbehandlung durchzuführen.
Praxistipp: Welche Maßnahmen kann ich noch ergreifen, um eine Lungenwurminfektion zu verhindern?
- weidehygienische Maßnahmen:
- wenn möglich, Weidezeit auf unter 5 Monate begrenzen
- Weide sollte vor Austrieb zur Heu- oder Silagegewinnung dienen – bei beiden Verfahren sterben die Lungenwürmer ab
- Impfung
In der Schweiz steht eine Schluckimpfung zur Verfügung mit strahlengeschädigten Lungenwurmlarven, die nicht vermehrungsfähig sind. Diese Impfung muss allerdings alle 6 Monate wiederholt werden. In Deutschland ist die Impfung derzeit nicht zugelassen.
Lesetipp: weide-parasiten.de
Stand 04/2014
Literatur
1. Holzhauer et al., 2011
2. Strube, Christina: Die parasitäre Bronchitis des Rindes – neue Prophylaxemöglichkeiten für ein stetiges Problem? Tierärztliche Umschau 67, 387-394 (2012)
3. von Samson-Himmelstjerna, Deplazes, Eckert, Zahner, Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin, 2012.
4. Schmächke, Die koproskopische Diagnostik vonn Endoparasiten in der Veterinärmedizin, 2013.