
Wenn alles nach Plan verläuft, dann steht das neugeborene Kalb nach der Geburt zügig auf und säuft selbstständig eine ausreichende Menge Biestmilch (Kolostrum).
Was aber, wenn das nicht passiert?
Wann sollte eingegriffen werden und das Kalb bei der Biestmilchaufnahme unterstützt werden?
Fragen und Antworten
Optimale Versorgung des Kalbes mit Antikörpern
- Gewinnung der ersten Biestmilch so schnell wie möglich nach der Kalbung
- Verabreichung dieser ersten Biestmilch in ausreichender Menge so schnell wie möglich → innerhalb der ersten 7 Lebensstunden 3-4 Liter
- Überprüfung der Biestmilchqualität auf Antikörpergehalt
Warum ist eine optimale Versorgung mit Antikörpern so wichtig?
Kälber werden ohne Abwehrstoffe (Antikörper bzw. Immunglobuline) geboren und sind somit den Keimen aus der Umwelt schutzlos ausgesetzt. Biestmilch enthält die notwendigen Schutzstoffe; durch die ausreichende, rechtzeitige Aufnahme wird die passive Immunität des Kalbes aufgebaut.
Um das Kalb optimal mit Antikörpern versorgen zu können, sind mehrere Dinge notwendig:
- Die erste Biestmilch sollte möglichst schnell gewonnen werden, denn der Gehalt der Abwehrstoffe sinkt innerhalb weniger Stunden nach der Kalbung stark ab.
- Das Kalb sollte diese erste Biestmilch möglichst schnell bekommen, also beginnend in der ersten halben Lebensstunde. Denn der Darm des Kalbes kann die Antikörper nur innerhalb der ersten Lebensstunden aufnehmen, nach 24 Stunden ist die Darmschranke für diese großen Eiweißmoleküle nahezu vollständig geschlossen.
- In den ersten drei Lebenstagen sollte ein Kalb pro Tag mindestens 10% des eigenen Körpergewichtes an Biestmilch aufnehmen. Denn auch nachdem die Darmschranke geschlossen ist und die Antikörper nicht mehr absorbiert werden können, hat Kolostrum viele Vorteile. Die Abwehrstoffe können lokal im Darm ihre Schutzwirkung gegen Krankheitserreger entfalten, weiterhin fördern die Inhaltsstoffe aus der Biestmilch die Entwicklung des Verdauungstraktes; die Verdauungskapazität wird erweitert, so dass Nährstoffe besser aufgenommen werden können.
Bestimmung der Biestmilchqualität
- Die Qualität kann zum einen mithilfe eines Kolostrometers (Biestmilchspindel) festgestellt werden (die Spindel wird in einen Messzylinder mit 22 ° C warmer Biestmilch getaucht, je höher der Antikörpergehalt, desto höher ist der Auftrieb der Spindel). Das Kolostrometer ist in drei Abschnitte unterteilt, taucht die Spindel bis zur
- grünen Farbmarkierung ein: hohe Qualität
- gelben Farbmarkierung ein: bedingt ausreichende Qualität
- roten Farbmarkierung ein: schlechte Qualität
- Routinemäßig einmal jährlich sowie bei Problemen mit der Kälbergesundheit (z.B. gehäuft auftretender Durchfall, Atemwegserkrankungen) kann überprüft werden, ob die Kälber genügend Abwehrstoffe aufgenommen haben. Hierbei wird der Gesamteiweißgehalt direkt im Blutserum der Kälber gemessen, er sollte über 55 g/l liegen.
- Blutentnahme durch den Tierarzt
- Zentrifugation des Blutes
- Bestimmung des Antikörpergehaltes mittels Refraktometer.
Es sollten mindestens 6, besser 12 gesunde Kälber, die jünger als 10 Tage, aber älter als 24 Stunden sind, beprobt werden.
Auswertung
Wenn bei 75% dieser Tiere der Gesamteiweißgehalt bei 55 g/l oder höher liegt, ist die Versorgung ausreichend. Liegen die Werte bei über 25% der beprobten Kälber unter diesem Wert, muss gehandelt werden. Die jeweilige Versorgung des Kalbes mit Antikörpern ergibt sich aus der Biestmilchqualität. Ist die Menge des Erstgemelkes sehr hoch, kann der Gehalt der Antikörper pro Liter niedriger sein, als wenn das Erstgemelk nur wenige Liter beträgt. Wenn dieser Verdünnungseffekt auftritt, ist die ausreichende Versorgung des Kalbes mit weniger als 3 Liter Biestmilch nicht gewährleistet.
Verabreichung des Kolostrums
Wenn die Kälber nicht selbst ausreichend Kolostrum direkt von der Mutter aus dem Euter aufnehmen, was bei mehr als der Hälfte der Kälber, die unbeaufsichtigt bei der Kuh mitlaufen, der Fall ist, kann die Biestmilch mithilfe einer Nuckelflasche kontrolliert vertränkt werden.
Falls das Kalb keinen Saugreflex zeigt, kann es gedrencht werden. Um aber nicht mehr Schaden als Nutzen anzurichten und beispielsweise die Biestmilch in die Luftröhre des Kalbes zu verabreichen, muss diese Methode gut beherrscht und sorgfältig angewendet werden ( vom Hoftierarzt zeigen lassen, nur wenn das Kalb steht und ohne mit der Sonde zu „stochern“).
Nach der Erstversorgung sollte den Kälbern die Biestmilch angesäuert (z.B. mit handelsüblichen Säuerungspulvern, pH-Wert von mindestens 5,0) stallwarm zur freien Aufnahme in einem Nuckeleimer angeboten werden.
Vorratshaltung von Kolostrum

- Eingefrorene Biestmilch kann bis zu einem Jahr ohne Qualitätsverlust gelagert werden.
- Biestmilch in kleineren Portionen (0,5 -1 Liter) einfrieren, damit sie bei Bedarf schneller aufgetaut werden kann.
- Schonend im Wasserbad bei max. 45° C auftauen und erwärmen
- Beim Auftauen in der Mikrowelle: niedrigste Stufe, häufig umrühren
- Die Biestmilch von älteren Kühen hat tendenziell einen höheren Antikörpergehalt als die von Färsen und eignet sich daher eher zur Vorratshaltung.