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Berufskrankheit Labmagenverlagerung

LMV1

Als eine Art Berufsrisiko von Milchkühen kann man den Krankheitskomplex Labmagenverlagerung ansehen. Eine Labmagenverlagerung ist eine der wichtigsten Erkrankungen von Milchkühen, vor allem tritt die Verlagerung auf der linken Körperseite in den ersten drei bis vier Wochen nach dem Kalben auf. Die Ursachen für eine Aufgasung und Verlagerung des Labmagens sind vielfältig, weshalb bei einer Behandlung auch immer auf möglicherweise auslösende oder begleitende Erkrankungen wie beispielsweise eine Ketose oder Kalziummangel geachtet werden muss.

Labmagenverlagerungen verursachen zum Teil hohe wirtschaftliche Verluste durch Behandlungskosten, Produktionsausfälle und vorzeitigen Abgang.

Was ist eine Labmagenverlagerung?

Die normale Position des Labmagens befindet sich im unteren, rechten Teil der Bauchhöhle vor dem Nabel, dort ist er nur locker befestigt. Bei einer linksseitigen Labmagenverlagerung schiebt er sich zwischen die linke Bauchwand und den Pansen. Bei hochgradiger Aufgasung kann er dabei bis unter die Querfortsätze der Lendenwirbelsäule reichen. Bei der rechtsseitigen Labmagenverlagerung schiebt er sich entlang der rechten Bauchwand nach oben und drängt dabei Leber und Dünndarm von der Bauchwand ab. Häufig kommt es dabei auch zu einer Drehung von Labmagen und Blättermagen, wodurch Blutgefäße und Magenabfluss abgeschnürt werden können, was einen dramatischen Krankheitsverlauf mit schneller Verschlechterung des Allgemeinzustandes bedingen kann. Die Verlagerung nach links ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 85-96% wesentlich höher als die rechtsseitige Variante. Labmagenverlagerungen treten hauptsächlich bei Kühen der intensiv genutzten Milchrassen im Abkalbezeitraum auf (80% innerhalb des ersten Monats nach dem Abkalben), sind allerdings auch schon bei Kälbern ab ca. der 3. Lebenswoche sowohl bei männlichen als auch weiblichen Tieren möglich.

Ursachen

Vor allem nach der Kalbung ist der Labmagen sehr beweglich, da er während der Trächtigkeit durch das heranwachsende Kalb verschoben wurde. Bei einer zu geringen Pansenfüllung, beispielsweise bei unzureichender Strukturversorgung oder durch verminderte Futteraufnahme bei einer Ketose oder Milchfieber, kann der Pansen dem Labmagen nur wenig Widerstand bieten.

Begleiterkrankungen wie Gebärmutterentzündungen bzw. Nachgeburtsverhaltungen, Klauenerkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Ketose, Hypokalzämie) führen zu einer Hemmung der Labmagenmotorik. Es kommt zu einer Gasansammlung im Labmagen, da die Muskulatur erschlafft. In einer Studie aus Berlin (Venjakob et al., 2021) zeigten mehrgebärende Kühe mit einer linksseitigen Labmagenverlagerung reduzierte Serum-Kalzium-Konzentrationen. Es konnte aber bisher nicht abschließend geklärt werden, ob niedrige Serum-Kalzium-Konzentrationen eine Ursache oder ein begleitender Umstand von Erkrankungen sind.

Bei Rationen mit einem hohen Anteil an Konzentratfutter und niedrigem Strukturgehalt kann es ebenso zu einer Hemmung der Labmagenmotorik durch zurzeit noch nicht genau definierte Mechanismen kommen.

Insbesondere bei großrahmigen Kühen, die eine Veranlagung für eine hohe Milchleistung aufweisen, scheint die Häufigkeit für Labmagenverlagerungen erhöht zu sein. Für die tatsächliche Auslösung einer Verlagerung sind wohl aber eher Umwelt- bzw. Managementeinflüsse maßgeblich. Die Untersuchung der Erblichkeit beziehungsweise von genetischen Faktoren rücken zunehmend mehr in den Fokus der Forschung. Beispielsweise wurden in einer Forschungsarbeit aus Hannover (Lehner et al., 2018) sechs Regionen im Genom gefunden, die deutlich mit dem Auftreten von linksseitigen Labmagenverlagerungen zusammenhängen. Auch in einer chinesischen Studie wurden merkmalsbeeinflussende Gene eingegrenzt. Ziel dieser Arbeiten ist es, zum Verständnis der genetischen Architektur dieser komplexen Erkrankungen beizutragen und somit in Zukunft auch in diesem Bereich dem Entstehen von Labmagenverlagerungen entgegenzuwirken.

Was passiert bei einer Labmagenverlagerung?

Die normale Position des Labmagens befindet sich im unteren, rechten Teil der Bauchhöhle vor dem Nabel, dort ist er nur locker befestigt. Bei einer linksseitigen Labmagenverlagerung schiebt er sich zwischen die linke Bauchwand und den Pansen. Bei hochgradiger Aufgasung kann er dabei bis unter die Querfortsätze der Lendenwirbelsäule reichen. Bei der rechtsseitigen Labmagenverlagerung schiebt er sich entlang der rechten Bauchwand nach oben und drängt dabei Leber und Dünndarm von der Bauchwand ab. Häufig kommt es dabei auch zu einer Drehung von Labmagen und Blättermagen, wodurch Blutgefäße und Magenabfluss abgeschnürt werden können, was einen dramatischen Krankheitsverlauf mit schneller Verschlechterung des Allgemeinzustandes bedingen kann. Eine rechtsseitige Labmagenverlagerung ist immer ein Notfall! Die Verlagerung nach links ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 85-96% wesentlich höher als die rechtsseitige Variante. Labmagenverlagerungen treten hauptsächlich bei Kühen der intensiv genutzten Milchrassen im Abkalbezeitraum auf (80% innerhalb des ersten Monats nach dem Abkalben), sind allerdings auch schon bei Kälbern ab ca. der 3. Lebenswoche sowohl bei männlichen als auch weiblichen Tieren möglich.

Untersuchung mit Abhorchen und Abklopfen zur Diagnose einer linksseitigen Labmagenverlagerung
Untersuchung mit Abhorchen und Abklopfen zur Diagnose einer linksseitigen Labmagenverlagerung

Labmagenverlagerungen erkennen: Symptome und Diagnostik

Durch die Blähung und Verlagerung des Labmagens werden Druck- und Zugkräfte auf andere Bauchhöhlenorgane ausgeübt, diese bereiten dem Tier Schmerzen. Daraus folgt, dass die Kuh schlecht, bzw. wechselhaft frisst (mal mehr mal weniger, je nach Verlagerung und Dehnung, sie frisst eher Strukturfutter als Kraftfutter). Die Milchleistung ist nicht so hoch wie erwartet bzw. rückläufig, die Kuh verliert an Gewicht, die Kotmenge nimmt ab und der Kot weist eine schmierige, dunkle Konsistenz auf. Weiterhin können im Vorfeld oftmals andere Erkrankungen, z.B. Milchfieber oder Nachgeburtsverhaltungen beobachtet werden.

Bei Verdacht auf eine Verlagerung kann beim Abhorchen der rippengestützten Bauchwand  ein typisches, metallisches Klingeln (Steelband-Effekt „Ping“, insbesondere beim Abhorchen mit Abklopfen der Bauchwand) gehört werden. Dies tritt meist bei akuten Verlagerungen auf. In chronischen Fällen sind diese Anzeichen oftmals nicht mehr so eindeutig, da der Labmagen dann weniger mit Gas und Flüssigkeit gefüllt ist.

Therapie

Bevor man sich für die eine oder andere Therapieform entscheidet, sollte man sich über die Prognose (Einschätzung des voraussichtlichen Verlaufs) und die Wirtschaftlichkeit klar werden.

Untersuchungen haben ergeben, dass es vor allem darauf ankommt, rasch zu handeln, um weitere Folgeschäden zu verhindern oder zu minimieren und so die Wirtschaftlichkeit zu erhalten.

Bei einer rechtsseitigen Labmagenverlagerung kann ein Laborwert, der Laktatgehalt im Blut, als Indikator hinzugezogen werden: Laktatwerte unter 2 mmol/l verheißen einen positiven Ausgang nach der Operation, Werte zwischen 2 und 6 mmol/l bedeuten schon ein gewisses Risiko und Werte über 6 mmol/l weisen auf ein hohes Risiko eines negativen Ausgangs der Therapie hin. Die Laktatwerte sollten aber nicht alleine zur Vorhersage des Therapieausgangs verwendet werden. Auch Begleiterkrankungen spielen eine große Rolle. Beispielsweise ergeben sich besondere ungünstige Prognosen bei schweren Leberschäden, Labmagengeschwüren (hochgradiger Blutverlust, schwarzer Kot) oder starken Lahmheiten (hochgradige Klauenerkrankungen).

Therapieformen bei linksseitiger Labmagenverlagerung

Zurückverlagerung durch Wälzen und Bauchmassage

Der Labmagen wird durch die Gasansammlung nach oben gezogen. Wird die Kuh niedergeschnürt kann sie sozusagen unter dem Labmagen durchgewälzt werden. Ist die Kuh abgelegt, wird sie mehrmals von der halbrechten Seite auf die halblinke Seite gewälzt, wobei mit den Fäusten vom Rücken des Tieres aus zum unteren Bauch hin der Bauch in Schwingungen versetzt wird. Durch Abhorchen mit Abklopfen kann das Zurückgleiten des Labmagens kontrolliert werden.

Anschließend gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder man ergreift keine weiteren Maßnahmen außer dem Anbinden der rechten Hintergliedmaße

(die Kuh darf sich nur auf die linke Seite legen, dies gestaltet sich bei Laufstallkühen schwierig), hierbei ist aber die Gefahr eines Wiederauftretens (Rezidiv) recht hoch, da der Labmagen nicht fixiert wurde. Dies sollte nur als Therapie zur vorübergehenden Linderung in Betracht gezogen werden.

Oder aber es erfolgt eine Fixation des Labmagens mit gebogener Nadel und Faden oder mittels Trokar und „Toggle pin“.  Die Vorteile hierbei sind, dass die Bauchhöhle nur minimal eröffnet wird (durch das Einstechen der Nadel oder des Trokars) und man oftmals ohne Antibiotika und ohne großen instrumentellen Aufwand auskommt.

Als nachteilig ist es aber zu sehen, dass durch das nahezu blinde Fixieren des Labmagens viele Risiken wie beispielsweise das Anstechen bzw. Einbeziehen anderer Darmteile, Stichkanalinfektionen, Bauchfellentzündung, Nichterfassen des Labmagens oder Fixation in der Nähe des Labmagenausgangs ohne vollständige Zurückverlagerung auftreten. Daher werden diese Methoden als überholt angesehen.

Zurückverlagerung  und Fixierung unter endoskopischer Kontrolle, nach Janowitz (mit Wälzen) oder nach Christiansen (alles am stehenden Tier)

Vorteile: Die Nachteile der vorherigen Methoden treten nicht auf, da mittels des Endoskops unter Sichtkontrolle gearbeitet wird. Wundinfektionen sind selten, meist kann auf Antibiotika verzichtet werden.

Nachteile: Verwachsungen durch entzündliche Prozesse können erkannt werden, allerdings nur durch eine größere Operation (größere Öffnung der Bauchhöhle) behoben werden. Ultraschalluntersuchungen haben ergeben, dass nach ca. einem Jahr nur noch bei 43% der untersuchten Kühe die gewünschten Verklebungen von Labmagen und Bauchfell bei den Fixationen mit Endoskop stattgefunden haben. Eine erneute Verlagerung in der auf die Operation folgende Laktation könnte also grundsätzlich möglich sein. Dies wurde aber weitaus weniger als erwartet beobachtet.

Operationen am stehenden Tier mit  vollständiger Öffnung der Bauchhöhle (bei linksseitiger und rechtsseitiger Labmagenverlagerung):

„Utrechter Methode“: Die Operation erfolgt auf der linken Seite, das große Netz (Labmagenhalteband) wird an der unteren Bauchwand (Nabelregion) fixiert.

„Hannoversche Methode“: Die Operation erfolgt auf der rechten Seite mit der Fixation des großen Netzes in Höhe der rechten Kniefalte.

Vorteile: durch die gute Sicht ist ein vollständiges Abgasen und eine sichere Rückverlagerung und Fixation des Labmagens möglich. Verwachsungen können gelöst werden (insbesondere bei schon länger bestehenden Verlagerungen oftmals vorhanden), bei rechtsseitiger Verlagerung kann eine Verdrehung gelöst werden und der Zustand des Labmagens beurteilt werden.

Nachteile: Meist ist eine Antibiotikagabe notwendig, die Tiere benötigen geringfügig mehr Zeit, um zu ihrer alten Leistung zurückzufinden.

Je nach Zustand des jeweiligen Tieres ist eine zusätzliche Infusionsbehandlung notwendig, um Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt und des Energiestoffwechsel zu behandeln. Auch wenn Kühe oftmals nur undeutliche, vage Schmerzäußerungen zeigen, können sie insbesondere nach einer Bauchhöhlenoperation dennoch Schmerzen empfinden. Hier ist eine Behandlung mit Schmerzmitteln oftmals von Vorteil, da der auftretende Wundschmerz eine geringere Futteraufnahme zur Folge haben kann, die unbedingt vermieden werden sollte.

Prophylaxe

Um einer Labmagenverlagerung vorzubeugen, kann man an vielen Stellschrauben ansetzen:

  • Pansenfüllung sicherstellen: qualitativ hochwertiges, energiereiches, schmackhaftes Futter mit ausreichend Struktur (kein verpilztes, nacherwärmtes Futter) sowohl vor als auch nach der Kalbung
  • Ausreichende Wasserversorgung (unmittelbar nach dem Abkalben trinken die Kühe mehr als 50 l Wasser)
  • Energiedefizit nach der Kalbung überwachen (Ketosemonitoring) und gegebenenfalls behandeln (z.B. Propylenglykol)
  • Tierartgerechte Haltung: ausreichend Platz, Sauberkeit, Kuhkomfort, kein Hitzestress
  • Prophylaxe und schnelle Behandlung anderer Krankheiten (insbesondere Milchfieber, Klauen und Euter)
  • Schwergeburten vermeiden (sinnvolle Bullenanpaarung, angemessene Geburtsüberwachung und-hilfe)

Fazit

Oftmals entstehen Labmagenverlagerung im Anschluss an andere Erkrankungen wie beispielsweise einer Ketose, Milchfieber oder Entzündungsreaktionen (Mastitis, Metritis, Klauenerkrankungen), die eine Endotoxinbelastung hervorrufen. Auch Fütterungsfehler spielen eine sehr große Rolle. Um die Häufigkeit dieser Erkrankung zu minimieren, sollte das Management und der Kuhkomfort optimiert und Stresssituationen bestmöglich vermieden werden.

Stand November 2014, aktualisiert am 17.09.2021


Literatur:

  1. J. von Freital Rekonvaleszenz und Verbleib von Kühen nach Behebung der linksseitigen Labmagenverlagerung mittels perkutaner Abomasopexie nach GRYMER und STERNER im Vergleich zur Omentopexie nach DIRKSEN. Tierärztliche Hochschule Hannover, Dissertation (2003)
  2. R. Kötter Feldstudie zur Behandlung von Kühen mit linksseitiger
    Labmagenverlagerung mittels laparoskopischer
    Abomasopexie nach JANOWITZ. Tierärztliche Hochschule Hannover, Dissertation (2005)
  3. M. Sickinger, A. Al-Bayati, K. Doll Entwicklung der abomaso-peritonealen Adhäsionen nach laparoskopischer Abomasopexie. DVG Vet-Congress, Berlin, Nov. (2013).
  4. Boulay G1, Francoz D2, Doré E2, Dufour S3, Veillette M2, Badillo M2, Bélanger AM2, Buczinski S2 Preoperative cow-side lactatemia measurement predicts negative outcome in Holstein dairy cattle with right abomasal disorders. J Dairy Sci. Jan;97(1):212-21 (2014).

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