Wozu benötigen Rinder (und Menschen) Licht?
Lebewesen benötigen Licht, um sich in ihrer Umgebung zu orientieren und um ihr Umfeld zu erfassen. Das Lichtangebot ist zudem ein Zeitgeber, der den Tag und das Jahr strukturiert. Je nach Lichtangebot in diesem täglichen und jahreszeitlichen Rhythmus wird das Verhalten und die Physiologie der Rinder gesteuert. Hormone wirken dabei als Botenstoffe.
Blinde Kuh?
Rinder sehen anders als Menschen. Da ihre Augen seitlich am Kopf liegen, haben sie ein großes Sehfeld (330°). Allerdings überschneiden sich die Sehfelder der beiden Augen nur in einem sehr kleinen Bereich (30-50°), direkt vor ihrem Kopf. Nur dort können die Rinder dann dreidimensional sehen. Konturen sehen Rinder unscharf und sie können sehr schlecht vom Sehen in die Ferne auf Sehen in der Nähe umstellen. Auch die Anpassung von heller auf dunkler Umgebung läuft beim Rind recht langsam ab.
Deshalb ist es wichtig, Ställe gleichmäßig auszuleuchten, da die Tiere ansonsten an den Übergängen von Hell zu Dunkel lange stehen bleiben, um sich an das veränderte Lichtangebot zu gewöhnen. An Übergangsstellen wie zum Beispiel Schwellen oder Ecken ist es sinnvoll, mit einem deutlichen Kontrast zu arbeiten.
Zwei Vorteile hat das Rind gegenüber dem Menschen: Erstens kann es deutlich besser in der Dämmerung sehen und zweitens nimmt es sehr gut Bewegungen wahr. Eine Ausleuchtung des Stalles in der Nacht ist deshalb nicht vonnöten, aber flackernde und flimmernde Leuchten müssen im Stall sofort ausgewechselt werden, da sie Stress beim Rind hervorrufen.
Lichtmanagement im Stall
Es gibt zwei Lebensrhythmen, die über die Lichtverhältnisse gesteuert werden. Die erste Größe ist der Tag/Nacht-Rhythmus. Er wird beim Mensch wie auch beim Rind durch das Hormon Melatonin vermittelt. Nachts, in der Dunkelheit, wenn der Körper ruht, schüttet der Organismus Melatonin aus. Melatonin hat einen wichtigen Einfluss auf die Fruchtbarkeit und das Immunsystem.
Die zweite wichtige Größe ist der Jahresrhythmus. Auch hier kann ein deutlicher Zusammenhang zwischen Beleuchtungsdauer und -intensität auf der einen Seite sowie Fruchtbarkeit, Wachstum und Leistung auf der anderen Seite aufgezeigt werden. Im Sommer, wenn die Tage am längsten sind, ist zu beobachten, dass die Tagesmilchleistungen am höchsten sind. Die Fruchtbarkeit der Rinder ist dann hoch.
Der direkte Zusammenhang zwischen Beleuchtungsdauer, Beleuchtungsintensität und Leistung (Milchleistung, Zuwachsraten, Fruchtbarkeitskennziffern) ist Untersuchungsschwerpunkt mehrerer Studien gewesen. Diese Studien zeigten, dass Kalbinnen, die mit einem 16-Stunden Lichttag gehalten wurden, schneller wuchsen und früher geschlechtsreif wurden. Das großzügige Lichtangebot regte zudem das Wachstum des Eutergewebes an und daraus resultierte in der folgenden Laktation eine höhere Milchleistung. Ein vergleichbarer Effekt auf die Milchleistung konnte bei laktierenden Milchkühen beobachtet werden, denen 16 Stunden Licht zur Verfügung standen. Im Mittel produzierten diese Tiere 1,5-3 kg mehr Milch am Tag als die Vergleichsgruppe.
Was aber bedeutet das für die Praxis? Drei Parameter sind bisher genauer erforscht und können auch im Alltag einfach gehandhabt werden. Dies sind die Beleuchtungsdauer, die Beleuchtungsintensität und die Zusammensetzung des Lichts. Die Beleuchtungsintensität, gemessen in Lux, sollte tagsüber einen Wert von 150 Lux erreichen und nachts max. 10 Lux betragen. Empfohlen wird eine Beleuchtungsdauer von 12 bis 14 Stunden am Tag, zeitlich leicht variierend je nach Jahreszeit (die oben genannten 16 Stunden sind nur in einem Versuchsaufbau vertretbar). Am biologisch wirksamsten ist der Blauanteil in weißem Licht. Die Beleuchtungsdauer und- intensität wird auch in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung geregelt. Dabei ist der Gesetzgeber im Kuhbereich allerdings wenig konkret. Er verlangt lediglich eine ausreichende Beleuchtung zur Beobachtung und Kontrolle und eine den Bedürfnissen entsprechende Beleuchtung. Bei den Kälbern hingegen fordert er im Aufenthaltsbereich mindestens 80 Lux Beleuchtungsstärke über täglich zehn Stunden.
Ansprüche an die Beleuchtung in den unterschiedlichen Stallabschnitten
Liegebereich
Die Hälfte des Tages verbringen Rinder liegend. Biologisch gut wirksames Licht mit einem hohen Blauanteil mit der empfohlenen Intensität von 150 Lux sollte deshalb zwölf Stunden im Liegebereich vorhanden sein.
Treib- und Laufbereiche
Auch hier sollte eine gleichmäßige Ausleuchtung mit 150 Lux gewährleistet sein, da, wie oben erwähnt, Rinder schlecht von Hell auf Dunkel adaptieren können. Damit ist dann eine ruhige und sichere Fortbewegung der Tiere gewährleistet, was besonders beim Zulauf zum Melkbereich wichtig ist.
Arbeitsbereiche (Melken, Klauenpflege, Krankenställe, Abkalbebereiche)
In diesen Bereichen ist es wichtig, dass gut, sicher und effizient gearbeitet werden kann. Aus diesem Grund regelt auch die Arbeitstättenverordnung die Beleuchtungsintensität. Für den Melkbereich, die Behandlungsräume müssen deshalb mindestens 200 Lux vorgesehen werden (besser sind 400 Lux). Am besten ist es, wenn diese zusätzliche Beleuchtungsintensität zugeschaltet werden kann, Kühe aber ansonsten ihren Komfortbereich haben.
Trockensteher
Für die Trockensteher wird lichttechnisch am Besten der Winter simuliert, da dann der Körper bestimmte Funktionen runter reguliert und seine vorhandenen Kräfte zur Regeneration einsetzen kann. Eine Beleuchtungsdauer von 8 Stunden mit 150 Lux im Trockensteherbereich ist ideal.
Kälber- und Jungtierbereich
Der Organismus der Jungtiere soll zum Wachsen angeregt werden. Hier ist eine etwas längere Beleuchtungsdauer von 16 Stunden in den ersten drei Lebenswochen zu empfehlen, in den weiteren Lebenswochen eine Reduzierung auf 14 Stunden.
Die Beleuchtungsintensität überprüfen
Es ist verhältnismäßig einfach zu überprüfen, ob den eigenen Rindern ausreichend Licht zur Verfügung steht. Ein einfaches Luxmeter aus dem Handel reicht aus, um die Luxzahl in den genannten Stallabschnitten zu überprüfen. Dies sollte routinemäßig auch dann geschehen, wenn dort ursprünglich mal eine angemessene Beleuchtung installiert worden ist. Verschmutzungen oder der nicht sachgerechte Austausch von Leuchtmitteln können dazu führen, dass Lichtstärke fehlt. Auch eine angemessene Beleuchtungsdauer kann technisch einfach umgesetzt werden. Mittels eines Lichtsensors, der wiederum gekoppelt ist mit einer Zeitschaltuhr, kann gesichert werden, dass bei mangelndem natürlichen Licht das künstliche Licht zugeschaltet wird.
Fazit
Mit steigendem Bewusstsein, wie wichtig Licht für das Wohlbefinden von Rindern ist, werden zunehmend mehr Lösungen für den Lichtbedarf auch im Kuhstall angeboten. Mit der Entwicklung des LED-Leuchtmittels kann nun auch eine kostenvertretbare Umsetzung angeboten werden. Damit ist hoffentlich die Ära der dunklen Rinderställe vorbei, die für die Tiere, aber auch für das Stallpersonal, nicht angenehm war.
Literaturempfehlung:
DLG-Merkblatt 415: Beleuchtung und Beleuchtungstechnik im Rinderstall, August 2016.