Insbesondere in Milchkuhbetrieben kommt es immer wieder zu vermehrten Lahmheiten in der gesamten Herde, die durchaus saisonal schwanken können. Oftmals handelt es sich dabei um die häufig sehr schmerzhafte, akute Form der Mortellaroschen Krankheit, auch unter den Begriffen digitale Dermatitis oder Erdbeerkrankheit bekannt.
Fragen und Antworten
Symptome: Wie erkenne ich die Mortellarosche Krankheit?
- leicht bis mittelgradige Lahmheit
- vorwiegend im Fesselbereich und im Zwischenklauenspalt (auf Tylom/Limax)
- akute, schmerzhafte Form:
- wie ausgestanzt erscheinende, gerötete, leicht höckerige Oberfläche mit erhabenem Rand und umliegenden verlängerten Haaren oder
- wuchernde, warzenartige, rasch blutende Zubildungen
- verdächtige Formen: kleinere, ausgestanzt erscheinende Hautbereiche
- chronische Formen: nach der schorfartigen Abheilung verbleiben oft wuchernd veränderte Hautbereiche, nicht schmerzhaft

Beginnend zeigen sich kaum schmerzhafte, kleinere Hautläsionen (<1 cm), die wie schüsselartig ausgestanzt erscheinen (oftmals zwischen den Weichballen oder im Zwischenklauenspalt).
Akute Läsionen rufen dann leichte bis mittelgradige Lahmheiten hervor, die Tiere entlasten v.a. die Hintergliedmaßen im Stehen wechselseitig oder überköten. Die Läsionen nehmen an Ausdehnung zu (bis handtellergroß), sind schmerzhaft und erscheinen entweder ulzerativ (wie eine Wunde) oder wuchernd-warzig, Mischformen sind möglich.
Typisch sind lange, abstehende Haare in der Läsion selber, insbesondere aber im Randbereich. Häufig haben die Tiere stark betroffene Zwischenklauenwülste (Limax/Tylom).

Neben der akuten Form weisen zahlreiche Tiere nach der Abheilung mit Schorfbildung dauerhaft warzig veränderte Hautbereiche auf. Diese schmerzfreien Ruhestadien können dann, oftmals bei zahlreichen Tieren zur gleichen Zeit, wieder in die akute Form wechseln.
“Mortellaro” am Euter

- Treponemen nachgewiesen
- häufig in der Falte zur Bauchwand oder entlang des Euterbandes
- übel riechend, nässend, schmerzhaft
- Milch aus oberflächlich stark verändertem Euter
Verlauf: Warum ist die Krankheit so schwer zu bekämpfen?
Die Erreger der Mortellaroschen Krankheit, sogenannte Treponemen, sind aktiv beweglich und bohren sich nach einer Übertragung auf ein empfängliches Tier bis in die unteren Hautschichten. Dort scheinen sie nach dem bisherigen Stand der Wissenschaft bei den meisten Tieren eine lebenslange Infektion hervorzurufen.

Behandlung im Klauenpflegestand
Insbesondere eine Verminderung der körpereigenen Abwehr und Hygieneprobleme in der Umgebung “wecken” die Erreger und eine akute Läsion kann entstehen. Je eher behandelt wird, desto rascher erfolgt die Abheilung.
Auch genetische Komponenten haben einen Anteil: einige Tiere zeigen nie akute Stadien, bei vielen Tieren heilen akute Stadien nach konsequenter Behandlung ab, andere Tiere weisen immer Ruhestadien der Krankheit auf, die rasch aufblühen können.
- Tiere bleiben meist lebenslang infiziert, beginnende Läsionen werden oftmals übersehen
- zur konsequenten Behandlung müssen die betroffenen Gliedmaßen angehoben und lokal behandelt werden
- auch Ruhestadien sollten behandelt werden
- die Rückfallquote ist sehr groß, nur durch die Kombination Einzeltierbehandlung, tiergerechte Unterbringung und regelmäßige Hygienemaßnahmen kann die Krankheit langfristig kontrolliert werden.
Diagnose: Besteht bei Mortellaroscher Krankheit Verwechslungsgefahr?

Mortellarosche Krankheit
– zwei Gesichter der digitalen Dermatitis
Die Diagnose am angehobenen Fuß ist für informierte Personen problemlos möglich. Verwechslungsgefahr besteht insbesondere bei folgenden Infektionen:
- oberflächliche Infektion der Zwischenklauenhaut: schmierige Beläge und eher rissartige Veränderungen
- beginnenden Phlegmonen (auch unter dem Begriff “Panaritium” bekannt)
- nicht heilende Zehenspitzennekrosen
- Sonderform: Die nichtheilende Zehenspitzennekrose, abnorm wuchernde Geschwüre und Hornspalten, aus denen veränderte Lederhaut hervorwuchert, sehen zwar zunächst der Mortellaroschen Krankheit nicht ähnlich. Unter dem Oberbegriff “digitale Dermatitis” werden aber auch diese Erkrankungen einer Infektion mit Treponemen zugeschrieben. Diese Formen schreiten langsam fort, heilen erfahrungsgemäß nie von selber aus und müssen umgehend behandelt werden.
Therapie: Wie wird die Mortellarosche Krankheit behandelt?
Chronische Läsionen oder Verdachstfälle wird man eher bei der routinemäßigen Klauenpflege finden, akute Erkrankungen/Lahmheiten müssen im Klauenstand einer umgehende Untersuchung unterzogen werden.

Fixierung mit gut gepolsterem Verband.
- akute und chronische Läsionen sowie Verdachtsstadien werden am angehobenen Fuß lokal behandelt
- konsequenten Behandlung mit Antibiotika haltigen Sprays (v.a. bei Verdachststadien), Novaderma® oder Polyurethan-Wundauflagen sind das Mittel der Wahl, Verband
- Tiere anschließend sauber und trocken aufstallen
- Die nichtheilende Zehenspitzennekrose, abnorm wuchernde Geschwüre und Hornspalten, aus denen veränderte Lederhaut hervorwuchert, können bei Nichtbehandlung schwere Schäden nach sich ziehen. Hier muss der/die Hoftierärzt/in unter örtlicher Betäubung verändertes Gewebe vollständig entfernen und geeignete weitere Therapiemaßnahmen einleiten.
Erfolg bei Spraybehandlung
Es gibt verschiedene Präparate, die Tetrazykline (Chlor-/Oxytetrazyklin) in unterschiedlicher Konzentration enthalten (12,5 / 25 / 32 mg/ml). Letztere haben 2 Tage Wartezeit auf essbares Gewebe, alle 0 Tage für Milch.

Außerdem ist unbedingt notwendig, vorher die Konzentration des Sprays zu beachten und die “Dosierung und Art der Anwendung” im Beipackzettel zu lesen. Eine zu geringe lokale Konzentration kann den Behandlungserfolg gefährden, eine zu hohe Konzentration verursacht unnötige Kosten und könnte, weitaus schlimmer, durch unnötigen AB-Verbrauch ggf. eine theoretische Wartezeit für essbares Gewebe nach sich ziehen.
Die auf dem Präparat angebene Konzentration bestimmt die Sprühdauer und Häufigkeit:
- ab Konzentrationen von 25 mg/ml wird eine einmaliger Sprühstoß von 1 bis 2 Sekunden empfohlen, z.T. bei chronischen DD-Fällen mit Wiederholung.
- bei Präparaten mit geringerer Ausgangskonzentration wird ein zweimaliges Sprühen angegeben.
- grundsätzlich wird eine mehrtägige Behandlung beschrieben
- sehr große Läsionen sollten mit Novaderma® behandelt werden
Auftragen von Novaderma (auch in den Zwischenklauenspalt), zur Fixierung Verband nötig - Äußerst wichtig ist es, die stets auf dem Beipackzettel geforderte saubere und trockene (!) Aufstallung danach einzuhalten.
Therapie von “Mortellaro” am Euter
- schwierig und langwierig
- frühzeitiger Therapiebeginn !!!
- täglich mit desinfizierender Seife waschen, trocknen, desinfizieren
- systemische Antibiose (AB zugelassen für Hautwunden oder DD, sehr gut geeignet Penicillin, Wartezeit)
Fragen zu Arzneimitteln und Therapieplan richten Sie bitte an Ihre(n) Hoftierärzt/-in!
Prophylaxe

- geschlossene Betriebe: Keimeinschleppung durch Zukauf verhindern
- körpereigene Abwehr durch eine tiergerechte Umgebung mit artgerechter Fütterung erhalten und fördern (“Cow Comfort”)
- Umgebungshygiene auf Liege- und Laufflächen ist entscheidend
- Beobachtung von Tieren mit Ruhestadien: bei Aufflackern Therapieplan erstellen
Eine echte Behandlung betroffener Tiere im Klauenbad ist nicht möglich.Eine regelmäßige Klauenhygiene mit registrierten Biozidprodukten senkt das Ausbruchsrisiko dagegen bei fachgerechter Anwendung, vergleichbar dem Zitzendippen.
Nutzen: Warum sollte ich sofort bei kleinsten Läsionen behandeln?

- die Erkrankung ist sehr schmerzhaft
- Roboterbetriebe sind auf bewegliche Kühe angewiesen, Brunsterkennung wird bei schmerzhaften Klauenkrankheiten stark herabgesetzt
- akute digitale Dermatitis hat einen deutlichen Einfluss auf die Milchleistung (durchschnittlich 0,5-0,75 kg pro Tag geringere Milchleistung)
- kleine Läsionen heilen meist problemlos aus, dagegen werden große, längere bestehende Läsionen oftmals chronisch
- bei regelmaessiger Klauenpflege koennen alle Stadien im Rahmen einer Klauenpflege behandelt werden
Tipp: Was kann man vorbeugend tun?
Alle Maßnahmen, die die digitale Dermatitis (Mortellarosche Krankheit) eindämmen, dienen auch der Langlebigkeit und einer hohen Lebensleistung der Tiere.
- grundsätzlich sollte in Mortellaro-freien Betrieben auf Zukauf verzichtet werden
- Schutzkleidung für alle Personen, die Betrieb betreten
- Hygienemaßnahmen für alle Fremdfahrzeuge (Kadavertisch, externe Verladerampe)
- hervorragender Kuhkomfort
- keine Überlegung
- ausreichenden Liegezeiten in gut bemessenen und eingestreuten Liegeboxen
- saubere, nicht rutschende Laufgängen von ausreichender Breite
- angemessene Fressplatzbreite, Rationsberechnung und Überprüfung
- ausreichende Wasserversorgung
- auch in Hitzeperioden ausreichende Belüftung/Kühlung
- bei Lahmheit: betroffene Tiere stets im Klauenstand untersuchen und behandeln, so werden weitere Lahmheitsursachen ebenfalls kontrolliert

sinnvolle Dokumentation
Regelmäßige Klauenpflege deckt unerkannte Klauenprobleme auf und ermöglicht frühzeitige Behandlung. Je nach Bedarf erfolgt Klauenpflege 2 – 4 x im Jahr (bei vermehrten Problemen häufiger, um Zwischenbehandlungen zu reduzieren). Regelmäßige Klauenpflege und auswertbare Dokumentation (handschriftlich oder besser noch elektronisch) erhält die Leistungsfähigkeit der Herde durch angemessene Reaktion auf Klauenerkrankungen.