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Nabelerkrankungen – durch Hygiene vermeidbar

Nabelerkrankungen
Nabelerkrankungen

Die zwei häufigsten Erkrankungen des Nabels sind die Entzündung sowie der Bruch, bei dem Eingeweideteile in einen Hautsack an der Nabelpforte vorfallen. Bis zu 5 % der Neugeborenen erkranken an Nabelentzündungen (1). Da diese bei zu spätem Eingreifen auch tödlich sein können, ist es wichtig, eine Entzündung frühzeitig zu erkennen und tierärztlich zu behandeln. Wirtschaftliche Schäden entstehen durch geringere Tageszunahmen und frühzeitige Abgänge.

Fragen und Antworten

Symptome: Wie erkenne ich eine Nabelerkrankung?

Kälber, die an einer akuten Entzündung des Nabels erkranken:

  • Wenige Tage bis wenige Wochen alte Kälber (2)
  • Das Kalb ist matt, frisst schlecht oder gar nicht und hat Schmerzen
  • Fieber über 39, 5 ° C
  • Nabel ist dicker, druckempfindlich, warm
  • Eitriger Ausfluss aus dem Nabel ist möglich (3)

Steigt die Entzündung über die Nabelstränge in den Bauchraum auf, werden die Krankheitsanzeichen meist dramatischer:

  • Gekrümmter Rücken, deutliche Schmerzanzeichen
  • Bei Blutvergiftung auch Körpertemperaturen unter 38,5 °C und Schockanzeichen

Ältere Kälber (über 3-4 Wochen) fallen eher durch Eiterbildung und Eiterfüllung des Nabels (Abszess) auf.
Dies kann sich aus einer Nabelentzündung entwickeln:

  • Kälber machen einen gesunden Eindruck
  • Fieberfrei
  • Nabelabszess als unterschiedlich große Umfangsvermehrung, diese ist nicht warm oder druckempfindlich
  • Unter Umständen schwer vom Nabelbruch abzugrenzen. Unterschied kann sein: Nabelabszess ist nicht in den Bauchraum zurückschiebbar

Ein Nabelbruch ist die Ausstülpung von Eingeweiden am Nabel in einen Hautsack.

Nabelbruch
Nabelbruch

Ein angeborener Nabelbruch ist sofort erkennbar und stellt eine Missbildung dar.

Einfache Nabelbrüche sind erkennbar an folgenden Symptomen:

  • Sie treten meist erst einige Tage oder Wochen nach der Geburt auf
  • Der Nabel ist vergrößert und dick, aber nicht warm oder schmerzhaft
  • Der Bruchinhalt, also die Eingeweide können in die Bauchhöhle zurück geschoben werden
  • Dem Kalb geht es gut und es zeigt nur selten Anzeichen von Bauchweh

Bei komplizierten Nabelbrüchen kommt es zu Einklemmungen der Eingeweideteile in den Bruchsack. Dabei können die Eingeweide auch miteinander oder mit dem Hautsack verwachsen.

  • Der Inhalt kann nicht zurück geschoben werden
  • Dem Kalb geht es schlecht, die Krankheitszeichen sind abhängig von dem eingeklemmten Eingeweideteil
  • Z.B. bei eingeklemmtem Labmagen (4) : Kreislauferscheinungen mit sehr hoher Herzfrequenz, Futterverweigerung, eingesunkene Augen, Schmerzhaftigkeit.

Ursache: Wie kann es dazu kommen?

Bei einer Nabelentzündung spielen verschiedene Bakterien eine Rolle, am häufigsten sind (5):

  • Escherichia coli, besonders bei akuter Nabelentzündung
  • Bei Abszessbildung Trueperella pyogenes, die als Eitererreger bekannt sind

Begünstigende Faktoren sind Mängel in der Haltung wie:

Besaugen kann zur Nabelentzündung führen
Besaugen kann zur Nabelentzündung führen
  • Mangelnde Hygiene
  • Schlechte Aufstallung
  • Gegenseitiges Besaugen

Öfter kommen Entzündungen auch vor bei:

  • Kälbern aus Schwergeburten
  • frühreifen Kälbern
  • Kälber deren Nabel zu dicht an der Haut gerissen ist
  • Oder bei Kälbern mit besonders dickem Nabel, bei denen sich die Gefäße aufgrund der Größe nicht richtig zurückziehen können

Verlauf: Worauf muss ich bei der Kontrolle achten?

Bei einer ungestörten Geburt reißt die Nabelschnur circa eine bis eineinhalb Handbreit von der Bauchdecke entfernt. Die beiden Arterien ziehen sich sofort in die Bauchhöhle zurück und verschließen. Passiert dies nicht, besteht die Gefahr des Verblutens. Die Nabelvenenreste, die zur Leber ziehen, verbleiben im außen liegenden Hautnabel.
Eine gesunde Nabelrückbildung sieht so aus:

  • Die Nabelschnur trocknet nach vier Tagen ab
  • Sie sollte nach etwa 14 Tagen abfallen (6)
  • Wichtig: Sieht alles normal aus, soll der Nabel nicht angefasst werden.

Der Nabelrest stellt eine Wunde dar, die abheilen muss. Durch die Feuchtigkeit und das geronnene Blut stellt er ein ideales Umfeld für Keime dar.
Die Nabelentzündung ist vor allem deshalb gefährlich, weil:

Sauberer, trockener Nabel
Sauberer, trockener Nabel
  • Sie sich durch Aufsteigen der Entzündung von außerhalb der Bauchhöhle auch im Bauchraum entwickeln kann
  • Eine verschleppte Nabelentzündung kann zu einem Nabelabszess führen, der das Risiko einer Blutvergiftung in sich trägt.
  • Eine Nabelvenenentzündung muss frühzeitig erkannt und behandelt werden, da die Keime bis zur Leber aufsteigen und Leberabszesse verursachen können. Als Folge werden dann meist auch weitere Organe und die Gelenke geschädigt (7)
  • Eine Arterienentzündung kann in die Aorta durchbrechen und zu einer Blutvergiftung führen.

Zu erkennen sind die Strukturen folgendermaßen:

  • Die Nabelvene zieht nach vorne, also in Richtung zum Kopf des Kalbes und stellt sich bei Entzündung dick, derb und druckempfindlich dar. Normalerweise ist sie strohhalm- bis bleistiftdick.
  • Die Arterien ziehen nach hinten in Richtung Schwanz.

Diagnose: Was ist wichtig?

  • Der Nabel sollte in den ersten Lebenstagen regelmäßig kontrolliert werden; Augenmerk liegt dabei auf dem Abtrocknungsgrad sowie dem Umfang. Ohne Berühren, Anschauen reicht.
  • Ein schlechtes Allgemeinbefinden des Kalbes ist ein wichtiger Hinweis auf Entzündungsvorgänge.
  • Ist der Nabel verdickt, und es tritt keine Besserung ein oder hat das Kalb Fieber, muss der Tierarzt gerufen werden.
  • Ebenso sollte verfahren werden wenn das Kalb Koliksymptome zeigt, da dies auf einen komplizierten Nabelbruch hinweisen kann.

Der/ Die TierärztIn wird folgendermaßen vorgehen

Palpation des Nabels
Palpation des Nabels
  • Zunächst erfolgt die Betrachtung und Palpation des Nabels, um die Rückbildung zu beurteilen sowie vorhandenes Sekret zu erkennen (Urin, Eiter?).
  • Desweiteren kann dabei getestet werden, inwiefern bei einem Nabelbruch der Inhalt zurück verlagerbar ist. Wahrscheinlich kann der Tierarzt dabei schon einen Nabelabszess von einem Bruch und einer Harngangsfistel abgrenzen (8).

Es kann nötig sein, eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen; dies ist vor allem möglich, wenn das Tier in einer Klinik untergebracht ist. Damit können viele Aspekte genauer abgeklärt werden (9):

  • Bei einer aufsteigenden Nabelentzündung: wie weit geht die Entzündung, welche Strukturen sind mit betroffen (Leberabszesse)?
  • Bei Abszessen: Dehnt sich der Abszess in den Bauchraum aus?
  • Bei Nabelbrüchen: Welche Eingeweidestrukturen sind beteiligt?

Vor allem aber kann die Ultraschalluntersuchung eine bessere Prognose für den Erfolg einer Behandlung, besonders eines chirurgischen Eingriffs liefern. Die Frage: „Lohnt sich eine OP?“, kann oft nur mit Hilfe eines Ultraschalls beantwortet werden.

Differentialdiagnose

Neben Entzündung und Bruch kann ein Kalb auch an einer Harngangsfistel oder Harngangszyste leiden.

Was ist eine Fistel?

Bei einer Fistel hat sich die vorgeburtliche Verbindung von der Harnblase zum Nabel nicht normal geschlossen hat. Das Kalb setzt dann Harn über den Nabel ab.

Hier ist zu beachten:

  • Relativ selten
  • Der Nabel, die Nabelhaare und die umliegende Umgebung sind stets auffallend feucht [1]

Wenn keine Öffnung in der Haut mehr besteht, kommt es zu einer Zyste, also einer Harnansammlung im Nabelbereich. Diese ist:

  • Unterschiedlich groß
  • Oft zurück in den Bauchraum massierbar
  • Kann leicht bis mittelstark schmerzhaft sein

Ein Problem der Harngänge muss so gut wie immer operiert werden, wobei die Aussichten auf Heilung sehr gut sind. Nur bei einer hochgradigen Entzündung mit Beteiligung innerer Strukturen muss das Kalb getötet werden.


Literatur:

[1] Rademacher, G. (2007): „Operation der Urachuserkrankungen des Kalbes.“, Prakt. Tierarzt 88:7, 524 – 532.

Therapie: Was tun?

Nabelentzündung:
  • Heilungschancen abhängig von Ausmaß, Art der Krankheit. Nicht in den Bauchraum aufgestiegene oder aufgestiegene, aber noch gut abgrenzbare Entzündungen haben bei rechtzeitiger Behandlung eine gute Prognose (bis zu 95% Heilung) (10).
  • Behandlung der Wahl ist Antibiotikum und Entzündungshemmer nach Maßgabe des Tierarztes.
Nabelvenenentzündung, wenn es noch nicht zu Leberabszessen gekommen ist:
  • Es muss eine OP erfolgen, bei der der entzündete Teil der Nabelvene entfernt wird. Auch hier liegen die Heilungschancen bei bis zu 90 Prozent (11).

Grundsätzlich gilt für alle Entzündungsformen: Sind die entzündlichen Vorgänge nicht abgrenzbar, geht es dem Tier sehr schlecht oder sind mehrere Organe mit betroffen (Leber, Gelenke, Lunge etc.) sind die Aussichten nicht gut und eine tierschutzgerechte Tötung einer Behandlung (OP oder Medikamente) vorzuziehen (12).

Ein Nabelbruch muss unter folgenden Bedingungen per OP behandelt werden:
  • Komplizierter Nabelbruch mit eingeklemmten Eingeweideteilen (Notfallpatient!)
  • Unkomplizierter Nabelbruch, wenn sich die Bruchstelle (Bruchpforte) bis vier Wochen nach der Geburt immer noch nicht geschlossen hat (besonders bei Mastrindern)

Prophylaxe: Wie kann ich eine Entzündung verhindern?

Grundsätzlich gilt bei der Behandlung und Versorgung des Nabels: So wenig anfassen wie möglich! (Hands off!)

Hygienische Bedingungen -der beste Schutz vor Nabelproblemen
Hygienische Bedingungen -der beste
Schutz vor Nabelproblemen
  • Auf Hygiene bei der Geburtshilfe achten
  • Saubere Abkalbebox (13) mit frischem Stroh. Diese darf auf keinen Fall auch als Krankenbox verwendet werden.
  • Keine scharfen Desinfektionsmittel für die Nabelbehandlung. Wenn desinfiziert werden soll, den Nabel kurz nach der Geburt mit milder Jodtinktur übergießen. Auf keinen Fall den Nabel ausstreifen oder die Jodlösung einmassieren.
  • Adäquate Versorgung mit Kolostrum (in den ersten 4-6 Lebensstunden mind. 3 Liter).
  • Gegenseitiges Besaugen vermeiden.
  • Regelmäßige Kontrolle des abheilenden Nabels. Routinemäßig sollte auf jeden Fall zu drei Zeitpunkten kontrolliert werden, wobei auch hier wieder gilt „Nur gucken, nicht anfassen“:
    o unmittelbar nach der Geburt
    o nach fünf bis sieben Tage, da zu diesem Zeitpunkt der Nabel normalerweise abgetrocknet sein sollte. Ein nässender, eitriger oder riechender Nabel ist ein deutlicher Hinweis auf ein Nabelproblem
    o bei der Umstallung von Einzelhaltung in Gruppenboxen, da die Kälber danach nicht mehr so leicht untersucht werden können (14).
  • Aufgrund der erblichen Komponente sollten Kälber mit Nabelbruch von der Zucht ausgeschlossen werden.Betriebe mit einem erhöhten Vorkommen an Nabelerkrankungen, insbesondere Nabelentzündungen sollten in Zusammenarbeit mit dem Tierarzt am Management der Kälberaufzucht arbeiten.

Praxistipp: Wie kann ich eine Entzündung verhindern?

  • hygienische Geburtshilfe
  • eine saubere, hygienische Abkalbebox ohne Sägemehleinstreu
  • kein Desinfektionsmittel zur Nabelversorgung verwenden
  • Nabel nicht abreißen oder abbinden
  • Unterbringung des Kalbes in einer gereinigten, frisch eingestreuten Kälberbox
  • rechtzeitige und ausreichende Kolostrumversorgung des Neugeborenen
  • regelmäßige visuelle Kontrolle des Nabels, auch nach abgeklungener Entzündung
  • rechtzeitig den Tierarzt zu Rate ziehen, um eine Streuung der Entzündung zu vermeiden
  • Tiere mit Nabelbruch konsequent von der Zucht ausschließen

Literatur:

(1) Swissgenetics (Hrsg.)(2005): „Der Nabel – erst lebenswichtig, dann Risiko.“, TORO 01/05, 32 – 33.
(2) Durchschnittsalter 33 Tage. Müller, M.; Ehrlein, J.; Ewringmann, Th.; Balsliemke, J.; Zetzmann, K.; Puchta, H.; Mölle, G. (2007): „Zur Pathologie der Nabelentzündungen des Kalbes.“ Prakt. Tierarzt 88, 904 – 914.
(3) Rademacher, G.; Blank, C.; Schleifer, G. (2006): „Das Kalb mit Nabelentzündung als Patient in der Praxis.“ Prakt. Tierarzt 87, 474 – 485.
(4) Rademacher, G.; Lorch, A. (2012): „Inkarzerationen des Labmagens im Nabelbruch bei einem Kalb – Krankheitssymptomatik und Verbesserung der Prognose durch modifizierte Therapie.“ Prakt. Tierarzt 93:4, 836 – 841.
(5) Müller et al. (2007)
(6) Wieland, M. J. (2012: „Nabelerkrankungen des Kalbes: Formen, Symptomatik, Therapie und Prognose.“ München, Univ., Tierärztl. Fakultät, Diss.
(7) Rademacher, G. (2006a): „Operation der Omphalophlebitis beim Kalb.“ Prakt. Tierarzt 87, 810 – 818.
(8) Rademacher, G.; Wieland, M.; Lorch, A. (2012): „Das Kalb mit Nabelbruch als Patient in der PraxisPrakt. Tierarzt 93: 2, 159 – 168.
(9) Kurt, B.; Cihan, M. (2013): „Evaluationof the clinical and ultrasonographic findings in abdominal disorders in cattle.“ Veterinarski Arhiv 83 (1), 11 – 21.
(10) Rademacher (2006), 483.
(11) Rademacher (2006a), 817.
(12) Swissgenetics (Hrsg.) (2010): „Der Kälbernabel ist Chefsache.“ TORO 08/10, 20 – 21.
(13) Maccari, P.; Kunz, H-J.; Andresen, U.; Koch, A.; Kaske, M. (2012): „Eckpfeiler einer optimierten Kälberaufzucht.“ Prakt. Tierarzt 93: 9, 818 – 829.
(14) Rademacher (2006), 485.

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