Wer schon einmal einen Uterusvorfall bei der Kuh gesehen hat, wird dieses Bild nicht so schnell vergessen. Aus der Scheide ragt ein fast kalbgroßes blassrosa- bis starkrosafarbenes Schleimhautgewebe hervor.
Die Kühe haben einen starken Pressdrang, zeigen Schmerzen und können sich panisch verhalten. In dieser Situation ist es äußerst wichtig, dass Sie als Tierhalter die Ruhe bewahren und sich über die wichtigsten Notfallmaßnahmen im Klaren sind, um sich entsprechend zu verhalten. Vergessen Sie bei aller Dramatik nicht: Sie können die Kuh retten.
Was passiert?
Der Gebärmuttervorfall tritt nach der Geburt auf, zumeist in den ersten 24 Stunden nach dem Geburtsvorgang. In seltenen Fällen kann ein Vorfall allerdings noch Tage nach der Geburt auftreten. Zumeist sind Kühe betroffen, die zum zweiten oder dritten Mal gekalbt haben. Die Vorgänge des Körpers, die die Geburt erleichtern, wie zum Beispiel das Lockern aller Bänder durch verschiedene Hormone, werden der Kuh nun zum Verhängnis. Die Gebärmutter, in zwei Hörner unterteilt, ist zu diesem Zeitpunkt noch asymmetrisch, da das Horn, in dem das Kalb beherbergt war, sich noch nicht zurückgebildet hat. Eine Voraussetzung für die nun ablaufenden Geschehnisse ist eine postpartale Uterusatonie, d. h. der Uterus kontrahiert sich nicht. Es kommt nun aus bisher noch ungeklärten Ursachen zu einer Einstülpung des Hornes, in dem das Kalb war, und durch den Pressdrang der Kuh wird das Gebärmutterhorn durch die Scheide nach außen gedrückt.
Prädisponierende Faktoren
Rein mechanische Ursachen für eine Begünstigung des Gebärmuttervorfalls können eine übermäßige Gebärmutterdehnung bei großen Früchten, eine Mehrlingsträchtigkeit oder auch die Eihautwassersucht sein. Betrachtet man den Aspekt der Stoffwechsellage begünstigen eine energiereiche Fütterung während der Trockenstehperiode sowie eine Unterversorgung mit Kalzium (Stichwort schleichendes Milchfieber) und die Ketose die Uterusatonie und damit ein erhöhtes Risiko für den Gebärmuttervorfall.
Komplikationen
Die schlimmste Komplikation, die bei einem Gebärmuttervorfall auftreten kann, sind Blutungen bzw. Zerreißungen des Organs. Der Uterus ist sehr gut durchblutet. Wird er verletzt, kann dies zu einem tödlichen Blutverlust führen. Auch der Vorfall von Därmen oder der Harnblase kann bei hochgradigen Rissen der Gebärmutter möglich sein.
Erste-Hilfe-Maßnahmen durch den Landwirt
Als allererstes müssen sie verhindern, dass die Kuh oder andere Kühe die nach außen gestülpte Gebärmutter verletzen. Das heißt, sie müssen die Kuh festbinden und sie legen ihr ein Vergrittungsgeschirr an. Die anderen Kühe halten sie fern. Ist dies geschehen, ist jetzt der Zeitpunkt, dass sie den Hoftierarzt benachrichtigen, damit er die Gebärmutter zurückverlagert kann. Versuchen sie dies bitte nicht eigenständig, da der Pressdrang der Kuh meist zu stark der Reposition entgegen arbeitet und der Tierarzt ihn deshalb medikamentös ausgeschalten muss. In der Zeit des Wartens schlagen sie die Gebärmutter mit einem angefeuchteten Bettlaken ein. So werden Verschmutzungen entfernt bzw. verhindert und die Gebärmutter wird vor dem Austrocknen geschützt. Brüchiges Gewebe neigt zu reißen und das wäre fatal. Das kühlende Wasser, eventuell mit Essigessenz versetzt, verhindert weiteres Anschwellen, was das Zurückverlagern des Uterus erleichtert. Wenn möglich, können sie mit einer weiteren Person den Uterus auf ein glattes Brett heben, zum Beispiel eine ausgehängte Stalltüre. Diese wird dann körperwärts geneigt, damit eine Blutstauung vermieden wird. Tritt Blut aus einem oder mehreren Gefäßen aus, müssen sie diese unbedingt verschließen. Dafür eignet sich am besten eine Arterienklemme, notfalls kann aber auch ein Druckverband mit Handtüchern ausreichen. Sind die Ohren der Kuh kalt und zittert sie, müssen sie den Kreislauf stabilisieren. Eine Elektrolyttränke, aus dem Eimer oder gedrencht, kann lebensrettend sein.
Tierärztliche Maßnahmen
Der Tierarzt wird medikamentös den Pressdrang der Kuh ausschalten. Dann erfolgt die Beurteilung der Gebärmutter. Eine unverletzte Gebärmutter wird gereinigt, desinfiziert und zurückverlagert. Sehr hilfreich kann dabei das neue Repositionsset Gynbag in Kombination mit der Gynpipe der Firma Quidee sein. Hier wird die Gebärmutter vom Tierarzt in das Gynbag eingetütet. Durch dieses „Eintüten“ wird die Gebärmutter automatisch verkleinert und die Flüssigkeit wird körperwärts geleitet. Einmal reponiert, hilft das Einbringen von mehreren Litern antiseptischer Flüssigkeit in die Gebärmutter bei der Desinfektion und verhilft dazu, dass die Gebärmutter am Ort verweilt. Durch das Anlegen einer Bühnernaht wird ein weiterer Vorfall vermieden. Lokal und auch systemisch wird die Kuh mit einem Antibiotikum versorgt, so dass der Tierarzt das Risiko, z.B. einer Gebärmutterentzündung, möglichst gering hält.
Ist die Gebärmutter verletzt, muss der Tierarzt entscheiden, ob kleinere Verletzungen genäht werden können. Bei größeren Zerreißungen und Blutverlust wird das Tier euthanasiert, da sie dann meistens nicht mehr transportfähig ist und einer Verwertung zugeführt werden kann.