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Ein Herdenproblem im Sommer: Weidekeratitis

Vermehrt tritt auch in Deutschland in der sommerlichen Fliegenhochsaison die Weidekeratitis auf. Diese hoch ansteckende Augenentzündung kann sich sehr schnell im Bestand ausbreiten. Rechtzeitig vor der Weidesaison sollte man daher mit der Planung von prophylaktischen Maßnahmen beginnen, um im Sommer nicht vor einem großen Problem zu stehen. Häufig sind Jungrinder betroffen, die vor Schmerzen ihre Augen kaum noch öffnen können. Wenn diese Infektion nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kann sie bis zu 50-80% der Tiere betreffen.

Die ansteckende Augenentzündung (auch Infektiöse Bovine Keratokonjunktivitis/IBK oder „Pink Eye“ genannt) entwickelt sich unter dem Einfluss von vielen Faktoren und wird letztendlich von bakteriellen Erregern ausgelöst. Hauptsächlich ist Moraxella bovis verantwortlich, aber auch andere Erreger, wie z.B. Moraxella boviculi, Staphylokokken und Mykoplasmen werden bei bakteriellen Untersuchungen von Konjunktivalabstrichen gefunden.

Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt von Rind zu Rind oder aber über Vektoren, beispielsweise über die nicht-stechende Augenfliege. Diese leckt an den Augenschleimhäuten und kann dabei mit ihrer raspelartigen Zunge kleine Verletzungen hervorrufen und dadurch die Krankheitserreger ins Auge einbringen. In betroffenen Beständen können innerhalb von zwei bis acht Wochen 50-80% der Tiere erkranken. Begünstig wird eine Infektion durch starkes Sonnenlicht (hohe UV-Bestrahlung), Staub und kleinste Verletzungen auf der Hornhaut (vor allem durch Fliegen, aber auch durch Pflanzenteile). Hereford-Rinder und Rinder mit fehlender Pigmentierung am Augenlidrand (helle Augenumrandung) sind häufiger betroffen als andere Rassen. Vor allem bei Jungrindern auf der Weide treten Infektionen auf  (2-6 Monate), es gibt aber auch Fälle, bei denen erwachsene Tiere erkranken oder Infektionen im Stall in den Wintermonaten auftreten (dies ist sehr selten, wird aber durch eine schlechtes Stallklima, beispielsweise durch eine hohe Schadgaskonzentration, begünstigt).

Symptome: Woran erkennt man IBK?

  • Bei einer Infektion tritt zunächst meist einseitig vermehrter Tränenfluss, Lichtscheue (Lidschluss) und eine Rötung der Augenschleimhäute auf. Zum Teil kommt auch Fieber und Abgeschlagenheit hinzu. Auf der Hornhaut wird zentral eine punktförmige oder rundliche Trübung sichtbar, im Weiteren kann es zu einer Einsprossung von Blutgefäßen kommen (deshalb die Bezeichnung „Pink Eye“).
  • Durch bakterielle Sekundärinfektionen wird der Augenausfluss eitrig. Unbehandelt kann es zu einem Geschwür der Hornhaut kommen, wobei auch eine Perforation (Durchbruch) der Hornhaut möglich ist. Als Folgen der Hornhauttrübung oder durch eine komplette Entzündung des Auges kann es in schwerwiegenden Fällen zu einer Erblindung kommen. Diese Tiere werden orientierungslos und sind nur schwer auf der Weide zu halten beziehungsweise als Zuchtvieh zu verkaufen.Die Lichtscheue beziehungsweise die Schmerzen/Fieber und die Beeinträchtigung des Sehvermögens führt zu einer verminderten Futteraufnahme, in der Folge können die Tageszunahmen und die Milchleistung geringer sein.
Fortgeschrittenes Stadium: Ulkus bricht durch die Hornhaut, die Iris fällt vor, Quelle: Prof. A. Starke, Uni Leipzig
Fortgeschrittenes Stadium: Ulkus bricht durch die Hornhaut, die Iris fällt vor, Quelle: Prof. A. Starke, Uni Leipzig
3monatiges HF-Kalb im Frühstadium: Hornhauttrübung, kreisrundes Ulkus, Quelle. Prof. A. Starke, Uni Leipzig
dreimonatiges HF-Kalb im Frühstadium: Hornhauttrübung, kreisrundes Ulkus, Quelle. Prof. A. Starke, Uni Leipzig
Vollständig getrübte Hornhaut, Blutgefäße sprossen von außen ein ("pink eye"), Quelle: Prof. A. Starke, Uni Leipzig
Vollständig getrübte Hornhaut, Blutgefäße sprossen von außen ein (“pink eye”), Quelle: Prof. A. Starke, Uni Leipzig

Diagnose: Wann und wie wird die IBK diagnostiziert?

Die Diagnose ist anhand des klinischen Bildes möglich. Frühe Läsionen können extrem klein sein und leicht übersehen werden, und eindeutige Anzeichen eines Hornhautödems können aus der Entfernung schwer zu erkennen sein. Um ein betroffenes Auge gründlich untersuchen zu können, muss das Tier und insbesondere der Kopf gut fixiert werden. Dabei ist enger Tierkontakt unumgänglich und da eine Übertragung der Erreger auch durch die Kleidung/Gerätschaften der untersuchenden Personen möglich ist, sollte hierbei besonders gut auf hygienische Verhältnisse geachtet werden (Tragen von Handschuhen, Zwischendesinfektion/ Wechsel von Schutzkleidung usw.)

Zur Erregerdifferenzierung wird ein Konjunktivalabstrich bakteriologisch untersucht.

Therapie: Wann und wie wird behandelt?

Betroffene Tiere sollten so schnell wie möglich behandelt werden, um das Risiko von Langzeitschäden (Blindheit) zu senken.

  • Eine infektiöse bovine Keratokonjunktivitis kann auch ohne eine Behandlung abheilen (selbstlimitierende Tendenz). Beispielsweise wird geschätzt, dass bis zu 50% der IBK-Fälle in Australien nicht behandelt werden. Da diese Infektion allerdings sehr schmerzhaft ist und die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs ohne Intervention stark ansteigt, wird eine Behandlung sehr empfohlen. Studien haben ergeben, dass verschiedene Antibiotika die Heilung im Vergleich zu einem Placebo verbessern. Zur Zeit fehlen aber aussagekräftige , vergleichende Erkenntnisse, welches der Antibiotika am wirksamsten ist.
  • Eine systemische Behandlung (z.B. intramuskulär/subkutan) mit Antibiotika mit einem Wirkspiegel über sechs Tage (z.B. ein- oder zweimalige Anwendung von Depotpräparaten, bei milchliefernden Tieren allerdings auf Präparate mit angemessener Wartezeit achten!) ist erfolgversprechend.
  • Auch eine intrapalpebrale Injektion (Verabreichung in das Augenlid) von Antibiotika ist möglich, allerdings arbeitsaufwendiger (Fixierung des Kopfes) und im Vergleich zur systemischen Verabreichung nicht effektiver. Auch antibiotische Augensalben können eingesetzt werden.
  • In akuten Fällen ist  eine Kombination mit Entzündungshemmern (NSAID) sinnvoll.
  • Sofern ein Geschwür abgeheilt ist und Blutgefäße die gesamte Läsion bedecken, ist ein Antibiotikum in der Regel nicht mehr erforderlich, auch wenn das Auge noch trübe erscheint. Dies setzt allerdings voraus, dass man die jeweilige Situation – akut oder in Abheilung – sicher erkennen kann.
  • Weiterhin ist es möglich, das betroffene Auge mit einem Tuch/Augenpflaster abzudecken, um die Exposition gegenüber Gesichtsfliegen und ultraviolettem Licht zu verringern und so die Schmerzen zu lindern, die Heilung zu beschleunigen und die Ausbreitung zu reduzieren. Um eine Ansammlung von Augensekret und Feuchtigkeit zu verhindern, sollte an der tiefsten Stelle des Augenpflasters/Tuchs eine Öffnung gelassen werden. Eine häufige Kontrolle wird empfohlen, um mögliche Verschlimmerungen rechtzeitig entdecken zu können.
  • In sehr schwerwiegenden Fällen kann eine chirurgische Behandlung notwendig sein, eventuell sogar eine Entfernung des Auges.

Fragen zu Arzneimitteln und Therapieplan richten Sie bitte an Ihre(n) Hoftierärzt/-in!

Praxistipp: Unterstützende Maßnahmen und Prophylaxe

  • Um eine Weiterverbreitung zu vermeiden, sollten betroffene Tiere abgesondert werden, am besten an einen schattigen Platz beziehungsweise in einen abgedunkelten Stall. IBK-Infektionen treten gehäuft in Beständen mit hoher Tierdichte oder hohem Fliegendruck auf. Ein wichtiger Bestandteil der Bekämpfung ist neben der Schaffung optimaler Haltungs- und Hygienebedingungen (z.B. angemessene Fressplatzbreite, Entfernung von Kothaufen), die Reduzierung des Fliegendruckes im Stall und auf der Weide.
  • Zu umfassenden Maßnahmen gehören die Fliegenbekämpfung am Tier (Ohrclips, Aufgusspräparate; hierbei hat eine Studie gezeigt, dass beide Methoden ungefähr gleich wirksam waren), die Fliegen und larvenbekämpfung im Stall (z.B. Streichmittel, Fraßköder, larvizide Mittel für die Gülle, Güllefliegen, Betriebshygiene) und die Auswahl einer fliegenarmen Weide (keine nassen Standorte in Waldnähe).

Wenn die Weidekeratitis regelmäßig auftritt und sich zu einem hartnäckigen Bestandsproblem auswächst, kann eine Impfung sinnvoll sein. In Deutschland ist kein Impfstoff zugelassen, aber über eine Sondergenehmigung bei den zuständigen Behörden kann ein im Ausland erhältlicher Impfstoff eingesetzt werden. Dabei ist der Impferfolg davon abhängig, ob die verwendeten Impfstämme mit dem in der Herde auftretenden Erregern übereinstimmen (die Erreger können stark variieren, beispielsweise lassen sich bei Moraxella bovis serologisch sieben Varianten unterscheiden).

Auch eine bestandsspezifische Impfung ist möglich, deren Wirksamkeit wird allerdings kontrovers diskutiert. Hierbei müsste der richtige Erregerstamm isoliert werden. Auch spielt der Zeitfaktor eine große Rolle, die Probenentnahme, Stammisolierung und Herstellung des Impfstoffes nach dem Erkennen eines Ausbruchs dauert möglicherweise zu lange, um die Herde effektiv zu schützen, so dass ein Großteil der Herde aufgrund der hohen Übertragungsfähigheit von Moraxellen bereits infiziert sein kann.

Wenn geimpft wird, sollte damit rechtzeitig (mindestens vier Wochen) vor Beginn des Weideaustriebs beziehungsweise vor der typischen IBK-Saison begonnen werden.

Fazit

Die Weidekeratitis ist nie nur ein Einzeltierproblem. Wird IBK in einer Herde festgestellt, sollte man alle Aspekte der Kontroll- und Präventionsmaßnahmen erörtern, angefangen bei der Reduzierung möglicher Risikofaktoren wie Fliegen und UV-Strahlung bis hin zu Therapieplänen und Impfungen.

aktualisiert am 28. Februar 2022

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