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Ziemlich beste Freunde – Kälber paarweise aufziehen

Traditionell werden Kälber kurze Zeit nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und sehr häufig innerhalb der ersten 14 Tage einzeln in Kälberiglus aufgezogen. In der Natur leben Kälber in einem komplexen Sozialgefüge in einem Herdenverbund und wachsen in Gruppen mit Kälbern, Jungrindern und Kühen auf. Wie Sie die paarweise Kälberaufzucht von Beginn an umsetzen und welche positiven Effekte diese hat, verrät der folgende Artikel.


Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 4/2022 der Milchpraxis.


Die Jugendentwicklung von Säugetieren, so auch von Kälbern, besitzt einen wichtigen Einfluss auf die spätere soziale Kompetenz, Wachstum und Leistung. So wurde in vielen Studien der Einfluss einer frühen Trennung von der Mutter und einer sozialen Isolierung in verschiedenen Spezies untersucht. Es zeigten sich Veränderungen aufgrund einer sozialen Isolation im Erwachsenenalter von reduzierter mütterlicher Fürsorge, erhöhtes Aggressionspotenzial sowie ein verändertes Sozialverhalten. Die allermeisten landwirtschaftlichen Nutztiere (z. B. Schafe, Schweine, Mutterkühe, Pferde) werden über die Milchphase zusammen mit ihren Müttern und Altersgenossen aufgezogen. Die Ausnahme stellt hier die Milchviehhaltung dar, wo die Kälber in der Regel direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und mutterlos über die Tränkphase aufgezogen werden.

Solziale Entwicklung von Kälbern

Die dadurch entstandene Durchfallerkrankung kann das neugeborene Kalb insbesondere durch den Flüssigkeitsverlust schnell schwächen. Aus diesem Grund ist sofortiges Handeln gefordert, wenn die ersten Anzeichen von Durchfall sichtbar sind. Die ersten Symptome sind Kotveränderungen (flüssig, evtl. stinkend, farblich verändert), mangelnde Trinklust und häufiges Liegen. Zu diesem Zeitpunkt sollten Sie

In der Natur trennt sich die Kuh kurz vor der Geburt von der Herde ab und bringt abseits der Herde ihr Kalb zur Welt. Nach der Geburt leckt die Kuh ihr Kalb trocken und der Sozialkontakt zwischen Kalb und Kuh beginnt. Nach ein paar Tagen integriert sich die Kuh mit ihrem Kalb wieder in den Herdenverbund und das Kalb hat direkten Kontakt zu gleich alten Kälbern, aber auch zu älteren Rindern und Kühen.

Durch diesen Herdenverbund lernen die Kälber spielerisch das sogenannte „soziale Lernen“. Soziales Lernen bedeutet hier das Erlernen von positiven und negativen Effekten von anderen Individuen. Dieses soziale Lernen ist jedoch nur in einem Sozialverband wie z. B. in einem Herdenverbund oder Verbund mit gleich alten Tieren möglich. Werden Kälber direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt, kann dies zu Veränderungen im Sozialverhalten mit langfristigen Effekten führen. So belegen Studien, dass sozial aufgezogene Kälber weniger ängstlich und dominanter bei Umgruppierungen in neue Sozialgruppen im späteren Leben sind. So etabliert der direkte und sehr frühe Kontakt von Kalb zu Kalb eine deutlich stärkere soziale Bindung im Vergleich zu einem ausschließlichen Sichtkontakt zwischen Kälbern.

Bei Veränderungen wie z. B. Umstallungen sind paarweise aufgezogene Kälber deutlich weniger gestresst und zeigen höhere Futteraufnahmen und bessere Wachstumsraten. Foto: Rohwer

Weniger Stress ist nur ein Vorteil von vielen

Kälber, die von Beginn an in Sozialgruppen aufgezogen werden, sind deutlich weniger gestresst, wenn die Tiere in eine neue Umgebung, z. B. die Eingruppierung in die Herde kurz vor der Kalbung oder auch in den Melkstand, kommen. Dies konnte auch in Studien belegt werden, sodass Kälber, die in Gruppen aufgezogen wurden, auch deutlich weniger Stresshormone und eine geringere Pulsfrequenz zeigten, wenn die Tiere durch diverse Faktoren (neue Gruppe, neues Futter etc.) gestresst wurden.

Kälber, die zusammen aufgezogen werden, zeigen bessere Wachstumsraten sowie höhere Trockenmasseaufnahmen. Des Weiteren sind früh gruppierte Kälber deutlich besser in der Lage, mit Umstallungen in neue Gruppen, z. B. an den Tränkeautomaten oder beim Verkauf, klarzukommen. So belegen Studien sehr eindrucksvoll, dass zusammen aufgezogene Kälber signifikant mehr Festfutter nach der Umgruppierung aufnehmen im Vergleich zu einzeln gehaltenen Kälbern (Abb. 1).

Neben einer verbesserten Kraftfutteraufnahme zeigen die früh sozialisierten Kälber signifikant bessere Tageszunahmen, welche in Abbildung 2 dargestellt ist. Kälber, die einzeln aufgezogen wurden, nehmen über die ersten drei Tage nach der Umgruppierung ab, wohingegen bei den zusammen aufgezogenen Kälbern kein Gewichtsverlust zu erkennen ist. Der Effekt der frühen Sozialisierung mit anderen Kälbern zeigt sich ebenfalls in positiver Weise, das Kälber aus der paarweisen Aufzucht signifikant weniger Zeit benötigen, sich einem anderen Kalb zu nähern, wenn sie mit anderen Kälbern in eine neue Gruppe umgestallt werden. So haben die individuell aufgezogenen Kälber ca. 100 Sekunden länger zur Annäherung an ein anders Kalb benötigt (Abb. 3). Diese deutlich längere Zeitdauer belegt den Stress der Tiere, wenn sie mit neuen Tieren gruppiert werden. Die Kälber beschäftigen sich dann lange Zeit mit den anderen Kälbern, da sie Sozialkontakt vorher nicht hatten.

Da jeglicher Stress auch zu physiologischen Reaktionen bei den Tieren führt, kann dieser Effekt auch zu verminderten Futteraufnahmen und geringerem Wachstum der Kälber beitragen. Sind alleine aufgezogene Kälber bei Umgruppierung in eine neue Gruppe mit dem Kennenlernen anderer Kälber beschäftigt, nehmen diese Kälber deutlich später Festfutter auf, was ebenfalls einen Rückgang der Tageszunahmen erklären kann. So konnten De Paula Vieira et al. (2010) zeigen, dass Kälber aus Einzelhaltung 49,5 Stunden benötigen, bis sie Festfutter aufnahmen, wohingegen die Kälber aus der paarweisen Aufzucht bereits nach neun Stunden Festfutter gefressen haben (Abb. 4).

Fremdbesaugen durch intensive Tränke verhindern

In einigen wissenschaftlichen Studien wurde das Fremdbesaugen bei Kälbern aus der paarweisen Aufzucht vermehrt dokumentiert, wohingegen andere Studien reduziertes Fremdbesaugen durch die paarweise Aufzucht nachweisen konnten. Hier spielt die täglich verabreichte Tränkemenge eine ganz entscheidende Rolle, sodass über ein intensives Tränkeregime bei paarweiser Aufzucht das Fremdbesaugen deutlich reduziert bzw. überhaupt nicht mehr zu sehen war. Bezüglich des Gesundheitsstatus der Kälber sollte darauf geachtet werden, dass nur gesunde Kälber sehr früh gruppiert werden sollten.

Praktische Umsetzung der paarweisen Aufzucht

Um die Kälber auch im Hinblick auf eine optimale Sozialisierung bestmöglich aufzuziehen, sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Sie können die Kälber ab dem ersten Lebenstag, nach einer optimalen Erstkolostrumversorgung, gruppieren und zu zweit in großen Iglus (ca. 3 m2 oder größer) aufstallen. Hier hat es sich bewährt, die Tränkeeimer der Kälber relativ nahe beieinander zu positionieren, da die Kälber gerne alle Dinge wie Trinken und Fressen zusammen machen möchten. Hängen die Tränkeeimer in den Iglus jedoch zu weit voneinander entfernt, kann es sein, dass die Kälber die Milch des Kollegen oder der Kollegin leckerer finden und diese lieber trinken möchten. Um optimales Wachstum und gute Gesundheit zu erzielen, sollten paarweise Kälber auch intensiv bzw. ad libitum mit Milch oder MAT-Tränke versorgt werden. Möchten Sie mehrere Kälber in einer Gruppe halten, sollten die Tiere über Nipplebars etc. ausreichend mit Milch versorgt werden. Hier sollte für jedes Kalb ein Nuckel zur Verfügung stehen, vor allem bei zweimaliger Fütterung täglich. Neben ausreichend hohen Milchaufnahmen sollten die Kälber selbstverständlich ganztägig Zugang zu hygienisch einwandfreiem Tränkwasser sowie Heu und/oder Kraftfutter haben. Eine weitere Möglichkeit zur paarweisen Aufzucht von Kälbern besteht in der Gruppierung der Kälber in einem Alter von ca. drei bis fünf Tagen. In diesem Alter ist es ohne Probleme möglich, zwei gesunde Kälber in einem Iglu zu gruppieren, um die positiven Effekte der paarweisen Aufzucht zu nutzen. Werden die Kälber von Anfang an in Gruppen gehalten, ist die Umgruppierung in die nächstgrößere Gruppe kein Problem mehr und kann je nach den betrieblichen Gegebenheiten auch etwas später erfolgen.

Fazit

Die paarweise Aufzucht von Kälbern bietet sehr viele Vorteile im Hinblick auf frühe Sozialisierung sowie die biologischen Leistungen der Kälber. Die praktische Umsetzung ist sehr leicht machbar und die Kälber danken es Ihnen mit Gesundheit und gutem Wachstum. Probieren Sie es einfach mal aus!

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